Der Artikel, über den ich hier berichten möchte, ist schon über zwei Monate alt. Ich habe so lange gewartet, darüber zu schreiben, weil ich gehofft hatte, Weiteres über die Konsequenzen des darin Geschilderten zu erfahren.
Das Ganze ist – meiner Meinung nach – so umwälzend, dass ich erwartet hatte, dass Ministerien, die mit Schule und Bildung zu tun haben, Lehrerverbände und überhaupt alle wichtigen Hinze und Kunze der Bildungspolitik sich eiligst zum angesprochenen Thema zu Worte melden würde.
Nichts dergleichen.
Vielleicht liegt es ja an mir. Habe ich etwas missverstanden? Interpretiere ich zuviel in diesen Artikel hinein? Gibt es etwa kein Problem mit dem geschilderten Sachverhalt und seinen Folgen?
Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen, lasse mich aber gerne in jeder Hinsicht eines Besseren belehren.
Zum Thema:
Am Ende des Sonderwegs heißt der gemeinte Artikel, der am 23.12.2008 in der ZEIT erschienen ist.
Der Untertitel spricht das Problem schon an:
“Behinderte sollen an Regelschulen unterrichtet werden, verlangt eine UN-Konvention. Gerade hat Deutschland sie ratifiziert – was wird nun aus den Sonderschulen?”
Schlicht und ergreifend ist Folgendes damit gemeint: 430.000 Sonderschüler jeglicher Art (körperbehinderte, geistig behinderte, “lernbehinderte” etc. etc.) müssen laut der UNO-Konvention in Deutschland nun in das normale Schulsystem integriert werden. Die Kultusminister wollen sich drei Jahre Zeit geben, um auf die neue Rechtslage zu reagieren.
Wenn das nicht revolutionäre News sind, die unser überholtes - wenngleich immer noch festbetoniertes – Schulsystem endgültig aus den Angeln heben werden, dann weiß ich auch nicht…
Aus dem Bericht der ZEIT:
”In der vergangenen Woche hat der Bundesrat die UN-Konvention über die Rechte Behinderter ratifiziert, von Januar an ist sie in Deutschland geltendes Recht. Und diese Konvention, das lässt sich ernsthaft kaum bestreiten, verlangt, dass Behinderte an regulären Schulen unterrichtet werden. Das gilt für körperbehinderte ebenso wie für geistig behinderte Kinder; und die deutsche Praxis, Problemschüler als »Lernbehinderte« auszusortieren, dürfte mit der Konvention ebenfalls unvereinbar sein. Für Deutsche mag dieser Gedanke gewöhnungsbedürftig sein; in weiten Teilen der Welt ist er selbstverständlich.
Fast fünf Prozent der Kinder werden in Deutschland aussortiert, weil sie an herkömmlichen Schulen angeblich nicht zu unterrichten sind; in etlichen Nachbarländern liegt der Anteil der Sonderschüler dagegen im Promillebereich. Das muss noch nicht gegen den deutschen Sonderschulweg sprechen. Viel schwerer wiegt der Befund der Bildungsforscher, dass Behinderte an Sonderschulen weniger lernen als an Regelschulen – und dass ihre Abwesenheit den übrigen Schülern nicht nützt. Leistungsvergleiche zwischen Integrations- und normalen Regelschulklassen zeigen keine nennenswerten Leistungsunterschiede. Und es gibt sogar integrative Eliteschulen, die lange Wartelisten führen und sich ihre nichtbehinderten Schüler aussuchen können. …
Dank der UN geht es nun aber nicht mehr allein um die Frage, wie Behinderte am besten zu unterrichten sind. Sondern es geht um ihre Rechte. Wer bislang Anspruch darauf zu haben glaubte, dass der eigene Nachwuchs nicht dem schädlichen Einfluss von Problemkindern ausgesetzt wird, der muss nun dazulernen. Menschenrechte sind kein Privileg der besseren Stände, und Anspruch auf Bildung haben auch Problemkinder.”
Außer einem Blogbeitrag des homo sociologicus, der sich wie ich auf den ZEIT-Artikel beruft, habe ich nicht wirklich etwas zu diesem Sprengstoff-Thema gefunden.
Wie gravierend die Veränderungen sein können, die sich als Konsequenz der Umsetzung der UN-Konvention ergeben, wird hier zumindest angedeutet.
So könnte z.B. eine Klasse mit ca. 30 Schülern aussehen: 20 Schüler deutscher Herkunft, 10 mit Migrationshintergrund; davon insgesamt 1 Hochbegabter, 16 “nette Unkomplizierte”, 5 Schwache mit z. T. großen sprachlichen Defiziten, 4 mit Verhaltenssauffälligkeiten unterschiedlicher Art (ADHS etc.), ein Kind mit Down-Syndrom, ein Lernbehinderter, ein Taubstummer und ein spastisch gelähmtes Kind.
Mann/Frau unterrichte…
Das Ganze ist nun wirklich nichts, das man “aussitzen” könnte.
Keiner redet darüber!?