Und die Erde ist eine Scheibe, um die sich die Sonne dreht
“Die Erde ist 10.000 Jahre alt, Gott schuf sie in sechs Tagen und Eva stammt aus der Rippe Adams: Kreationismus hält Einzug im Biologieunterricht an staatlich anerkannten deutschen Schulen.”
Pädagogischer Sündenfall titelt denn auch die SZ in ihrem Beitrag über die zunehmende Tendenz, statt der Evolutionstheorie die biblische Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht als Erklärungsmodell für die Entstehung von Welt und Menschen heranzuziehen.
Dies geschieht häufig unter dem Vorwand, dass vieles wissenschaftlich ungeklärt sei und die Schüler “alle” existierenden Erklärungsansätze kennenlernen sollen. Dies “aufklärerisch” anmutende Argument ist dabei in etlichen Fällen aber besonders für evangelisch-freikirchlich geprägte Schulen (die weitgehend vom Staat finanziert werden), aber zunehmend nicht nur für diese, eine Art Freibrief, rückwärtsgewandtes Gedankengut unter den Schülern zu verbreiten.
Dieses Vorgehen macht es Schülern schwer, Wissenschaft von Meinung von Vorurteil von religiöser Missionierung zu unterscheiden. In einer Zeit, in der differenziertes und differenzierendes Denken eh’ einen schweren Stand hat und von Realityshows und unsäglichen Talkrunden aufgesogen zu werden droht, ist das eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Schon jetzt wird von Lehrenden der Universitäten beklagt, dass viele junge Studierende Fakten, Argumente, Meinung und Wertung nicht mehr auseinanderhalten können, was wissenschaftliches Arbeiten so gut wie unmöglich macht.
“Dittmar Graf, Professor für Biologiedidaktik [untersuchte] … in einer Studie die Einstellung angehender Lehrer gegenüber der Evolution…: Lehramtsstudenten, die einen Biologie-Leistungskurs in der Oberstufe besucht hatten, lehnten zu fast acht Prozent die Evolution ab. Von denjenigen, die einen Grundkurs absolviert hatten, waren es 17 Prozent, von denjenigen ohne Biologieunterricht sogar über 20 Prozent.
Die 1228 befragten Lehramtsstudenten waren allesamt Studienanfänger. ‘Wir hoffen natürlich, dass sich ihre Einstellung zur Evolution im Laufe des Studiums ändert", sagt Dittmar Graf. "Doch überprüfen können wir das nicht. Was sich später im Klassenzimmer hinter der verschlossenen Tür abspielt, davon haben wir leider keine Ahnung.’"
Auch der Spiegel widmet sich dem Thema Kreationismus in Schulen: Darwins Gegner holen zum Gegenschlag aus, ist dort zu lesen. Und weiter: “Darwin-Gegner gibt es nicht nur in den USA: Auch in Europa machen Hardcore-Kreationisten und Intelligent-Design-Anhänger Boden gut – und kämpfen dafür, ihre Ansichten auf die Bio-Lehrpläne zu bringen. Die seriöse Wissenschaft reagiert viel zu passiv auf die Erfolge der Fundamentalisten.”
“’Es ist so, als würde man den Anspruch erheben, Astrologie in den Physikunterricht aufzunehmen’, sagte James Williams von der University of Sussex bei der Fachtagung Einstellung und Wissen zu Evolution und Wissenschaft in Europa, die am 20. Februar in Dortmund stattfand. Williams hat den Einfluss der Kreationisten im Vereinigten Königreich untersucht. Und der ist groß: Die Mehrheit der Briten zweifelt an der Evolution, 40 Prozent will Kreationismus im Biologieunterricht, ergab eine Umfrage aus dem Jahr 2006.
In gedämpftem Optimismus kann man da nur mit Erich Kästner hoffen:
“Vergiss in keinem Falle,
auch dann nicht, wenn vieles misslingt:
Die Gescheiten werden nicht alle!
(So unwahrscheinlich das klingt.)”
Die Hoffnung stirbt zuletzt.