Archiv für die Kategorie Bildung und Erziehung

Jawoll: Das ist die Richtung!

“Die Unterschiede zwischen Schülern wachsen, die Vorstellung von homogenen Klassen ist überholt. In Zukunft sollen die Lehrer mehr moderieren, weniger dozieren – und die Fähigkeiten jedes Einzelnen fördern. … Die Schule entdeckt den einzelnen Schüler. Ob auf Fortbildungen oder Lehrerkonferenzen, in bildungspolitischen Statements oder wissenschaftlichen Vorträgen: Kein Thema steht derzeit so häufig im Mittelpunkt wie die »Individualisierung des Unterrichts«. Was bislang nur an Vorzeigeschulen und einigen deutschen Grundschulen gelingt, sollen bald alle Lehranstalten des Landes können: die Unterschiede der Schüler als Vorteil anstatt als Belastung zu betrachten.

Nicht mehr der »imaginäre Durchschnittsschüler«, sagt der Schulforscher Andreas Helmke, gelte als Leitbild der Lehrer. In Zukunft soll ihr Unterricht die Talente und Interessen des Einzelnen fördern. In Nordrhein-Westfalen könnten Eltern seit Kurzem sogar einen solchen Unterricht für ihr Kind einklagen. Gleich im ersten Satz verspricht das neue Schulgesetz des Landes »individuelle Förderung« für jeden.”

Nur so wird es gehen. Nicht anders kann es gehen, vor allem wenn tatsächlich, wie jetzt nach der Unterzeichnung der entsprechenden UN-Konvention gefordert, Sonderschüler jeglicher Art bald an Regelschulen unterrichtet werden müssen. 

Zielidentisches Unterrichten ist schon lange eine überholte Abgelegenheit! Hochbegabte Schüler wissen ein Lied mit unendliche vielen Strophen darüber zu weinen. Und auch an Schülern mit spezifischen Schwierigkeiten wie LRS, Dyskalkulie, Sprachproblemen etc. wird mit einer zielidentisch ausgerichteten Methodik vorbeiunterrichtet.

“Hinter dem bildungspolitischen Appell steckt der Aufruf zu einer Revolution im Klassenraum. Bisher gilt dort das Gesetz der pädagogischen Einfalt. Vorn steht ein Lehrer, der nach einem Lehrplan und einem Notenraster eine Gruppe beschult. Nun soll der Unterricht plötzlich der Vielfalt frönen.”

Ja! Ja! Ja!
Soll er!
Muss er!
Nur so wird es gehen!

Man lese in der ZEIT:  Alle zum Einzeltraining

 

Und die Erde ist eine Scheibe, um die sich die Sonne dreht

“Die Erde ist 10.000 Jahre alt, Gott schuf sie in sechs Tagen und Eva stammt aus der Rippe Adams: Kreationismus hält Einzug im Biologieunterricht an staatlich anerkannten deutschen Schulen.”
Pädagogischer Sündenfall titelt denn auch die SZ in ihrem Beitrag über die zunehmende Tendenz, statt der Evolutionstheorie die biblische Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht als Erklärungsmodell für die Entstehung von Welt und Menschen heranzuziehen.

Dies geschieht häufig unter dem Vorwand, dass vieles wissenschaftlich ungeklärt sei und die Schüler “alle” existierenden Erklärungsansätze kennenlernen sollen. Dies “aufklärerisch” anmutende Argument ist dabei in etlichen Fällen aber besonders für evangelisch-freikirchlich geprägte Schulen (die weitgehend vom Staat finanziert werden), aber zunehmend nicht nur für diese, eine Art Freibrief, rückwärtsgewandtes Gedankengut unter den Schülern zu verbreiten.
Dieses Vorgehen macht es Schülern schwer, Wissenschaft von Meinung von Vorurteil von religiöser Missionierung zu unterscheiden. In einer Zeit, in der differenziertes und differenzierendes Denken eh’ einen schweren Stand hat und von Realityshows und unsäglichen Talkrunden aufgesogen zu werden droht, ist das eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Schon jetzt wird von Lehrenden der Universitäten beklagt, dass viele junge Studierende Fakten, Argumente, Meinung und Wertung nicht mehr auseinanderhalten können, was wissenschaftliches Arbeiten so gut wie unmöglich macht.

“Dittmar Graf, Professor für Biologiedidaktik [untersuchte] … in einer Studie die Einstellung angehender Lehrer gegenüber der Evolution…: Lehramtsstudenten, die einen Biologie-Leistungskurs in der Oberstufe besucht hatten, lehnten zu fast acht Prozent die Evolution ab. Von denjenigen, die einen Grundkurs absolviert hatten, waren es 17 Prozent, von denjenigen ohne Biologieunterricht sogar über 20 Prozent.
Die 1228 befragten Lehramtsstudenten waren allesamt Studienanfänger. ‘Wir hoffen natürlich, dass sich ihre Einstellung zur Evolution im Laufe des Studiums ändert", sagt Dittmar Graf. "Doch überprüfen können wir das nicht. Was sich später im Klassenzimmer hinter der verschlossenen Tür abspielt, davon haben wir leider keine Ahnung.’"

Auch der Spiegel widmet sich dem Thema Kreationismus in Schulen: Darwins Gegner holen zum Gegenschlag aus, ist dort zu lesen. Und weiter: “Darwin-Gegner gibt es nicht nur in den USA: Auch in Europa machen Hardcore-Kreationisten und Intelligent-Design-Anhänger Boden gut – und kämpfen dafür, ihre Ansichten auf die Bio-Lehrpläne zu bringen. Die seriöse Wissenschaft reagiert viel zu passiv auf die Erfolge der Fundamentalisten.”

“’Es ist so, als würde man den Anspruch erheben, Astrologie in den Physikunterricht aufzunehmen’, sagte James Williams von der University of Sussex bei der Fachtagung Einstellung und Wissen zu Evolution und Wissenschaft in Europa, die am 20. Februar in Dortmund stattfand. Williams hat den Einfluss der Kreationisten im Vereinigten Königreich untersucht. Und der ist groß: Die Mehrheit der Briten zweifelt an der Evolution, 40 Prozent will Kreationismus im Biologieunterricht, ergab eine Umfrage aus dem Jahr 2006.

In gedämpftem Optimismus kann man da nur mit Erich Kästner hoffen:

“Vergiss in keinem Falle,
auch dann nicht, wenn vieles misslingt:
Die Gescheiten werden nicht alle!
(So unwahrscheinlich das klingt.)”

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

Schweigen im Walde

Der Artikel, über den ich hier berichten möchte, ist schon über zwei Monate alt. Ich habe so lange gewartet, darüber zu schreiben, weil ich gehofft hatte, Weiteres über die Konsequenzen des darin Geschilderten zu erfahren.

Das Ganze ist – meiner Meinung nach – so umwälzend, dass ich erwartet hatte, dass Ministerien, die mit Schule und Bildung zu tun haben, Lehrerverbände und überhaupt alle wichtigen Hinze und Kunze der Bildungspolitik sich eiligst zum angesprochenen Thema zu Worte melden würde.

Nichts dergleichen.

Vielleicht liegt es ja an mir. Habe ich etwas missverstanden? Interpretiere ich zuviel in diesen Artikel hinein? Gibt es etwa kein Problem mit dem geschilderten Sachverhalt und seinen Folgen?
Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen, lasse mich aber gerne in jeder Hinsicht eines Besseren belehren.

Zum Thema:
Am Ende des Sonderwegs heißt der gemeinte Artikel, der am 23.12.2008 in der ZEIT erschienen ist.
Der Untertitel spricht das Problem schon an:
“Behinderte sollen an Regelschulen unterrichtet werden, verlangt eine UN-Konvention. Gerade hat Deutschland sie ratifiziert – was wird nun aus den Sonderschulen?”

Schlicht und ergreifend ist Folgendes damit gemeint: 430.000 Sonderschüler jeglicher Art (körperbehinderte, geistig behinderte, “lernbehinderte” etc. etc.) müssen laut der UNO-Konvention in Deutschland nun in das normale  Schulsystem integriert werden. Die Kultusminister wollen sich drei Jahre Zeit geben, um auf die neue Rechtslage zu reagieren.

Wenn das nicht revolutionäre News sind, die unser überholtes -  wenngleich immer noch festbetoniertes – Schulsystem endgültig aus den Angeln heben werden, dann weiß ich auch nicht…

Aus dem Bericht der ZEIT:
”In der vergangenen Woche hat der Bundesrat die UN-Konvention über die Rechte Behinderter ratifiziert, von Januar an ist sie in Deutschland geltendes Recht. Und diese Konvention, das lässt sich ernsthaft kaum bestreiten, verlangt, dass Behinderte an regulären Schulen unterrichtet werden. Das gilt für körperbehinderte ebenso wie für geistig behinderte Kinder; und die deutsche Praxis, Problemschüler als »Lernbehinderte« auszusortieren, dürfte mit der Konvention ebenfalls unvereinbar sein. Für Deutsche mag dieser Gedanke gewöhnungsbedürftig sein; in weiten Teilen der Welt ist er selbstverständlich.
Fast fünf Prozent der Kinder werden in Deutschland aussortiert, weil sie an herkömmlichen Schulen angeblich nicht zu unterrichten sind; in etlichen Nachbarländern liegt der Anteil der Sonderschüler dagegen im Promillebereich. Das muss noch nicht gegen den deutschen Sonderschulweg sprechen. Viel schwerer wiegt der Befund der Bildungsforscher, dass Behinderte an Sonderschulen weniger lernen als an Regelschulen – und dass ihre Abwesenheit den übrigen Schülern nicht nützt. Leistungsvergleiche zwischen Integrations- und normalen Regelschulklassen zeigen keine nennenswerten Leistungsunterschiede. Und es gibt sogar integrative Eliteschulen, die lange Wartelisten führen und sich ihre nichtbehinderten Schüler aussuchen können. …
Dank der UN geht es nun aber nicht mehr allein um die Frage, wie Behinderte am besten zu unterrichten sind. Sondern es geht um ihre Rechte. Wer bislang Anspruch darauf zu haben glaubte, dass der eigene Nachwuchs nicht dem schädlichen Einfluss von Problemkindern ausgesetzt wird, der muss nun dazulernen. Menschenrechte sind kein Privileg der besseren Stände, und Anspruch auf Bildung haben auch Problemkinder.”

Außer einem Blogbeitrag des homo sociologicus, der sich wie ich auf den ZEIT-Artikel beruft, habe ich nicht wirklich etwas zu diesem Sprengstoff-Thema gefunden.

Wie gravierend die Veränderungen sein können, die sich als Konsequenz der Umsetzung der UN-Konvention ergeben, wird hier zumindest angedeutet.

So könnte z.B. eine Klasse mit ca. 30 Schülern aussehen: 20 Schüler deutscher Herkunft, 10 mit Migrationshintergrund; davon insgesamt 1 Hochbegabter, 16 “nette Unkomplizierte”, 5 Schwache mit z. T. großen sprachlichen Defiziten, 4 mit Verhaltenssauffälligkeiten unterschiedlicher Art (ADHS etc.), ein Kind mit Down-Syndrom, ein Lernbehinderter, ein Taubstummer und ein spastisch gelähmtes Kind. 
Mann/Frau unterrichte…

Das Ganze ist nun wirklich nichts, das man “aussitzen” könnte.

Keiner redet darüber!?

 

Von allen guten Geistern verlassen

Die Empfehlungen zur Schulformwahl sind geschrieben, und mit und mit bekomme ich von betroffenen Eltern hochbegabter Kinder Rückmeldungen, welche Absurditäten dort abgeliefert worden sind.

Generell weise ich noch einmal auf meinen Beitrag zum eventuell notwendigen Widerspruch gegen die Schulempfehlung hin.

Jüngstes Beispiel (sprachlich verändert) für eine konfuse und abstruse Argumentführung, die ein getestetes hochbegabtes Kind schließlich auf die Hauptschule verbannen soll:

“XXX verfügt über weit überdurchschnittliche Kenntnisse in fast jedem Bereich und über einen erstaunlichen Wissensdurst. … Er/sie zeigt jedoch häufiger auffälliges Verhalten, ist desinteressiert am aktuellen Unterrichtsgeschehen und lässt es an Sorgfalt bei der Erledigung aufgegebener Arbeiten fehlen. … In seiner/ihrer Klasse findet er/sie bis heute keinen rechten Anschluss. … Aufgrund seines/ihres Arbeits- und Sozialverhaltens ist eine Empfehlung für die Hauptschule auszusprechen. …”

In manchen Fällen sollte man tatsächlich vielleicht doch besser coole Szene-Entertainer vor die Klassen stellen…

 

Rappen als Unterrichtsmethode

Harte Beats gegen die Bildungsmisere titelt der Spiegel in seinem Bericht über die Berliner HipHoper Robin Haefs und Vincent Stein.
Ziel der beiden: “Rap als Unterrichtsmethode zu etablieren – Sprechgesang mit Bildungsauftrag. … Die Texte der beiden handeln nicht von Drogen, Prostitution und Gewalt, sondern vom Klimawandel und der Photosynthese. Ihr Konzept: Statt Arbeitsblätter zu büffeln, bekommen Grundschüler den Stoff vorgerappt. Der einprägsame Rhythmus soll den Kindern helfen, sich die schwierigen Inhalte besser einzuprägen.”

Beispiel:
“Unser Berlin –
gezeichnet von Teilung und Krieg –
1244 taucht der Name Berlin zum ersten Mal auf.
1701 Hauptstadt von Preußen –
1871 Hauptstadt der Deutschen”

Ich habe nie an den kulturellen Untergang des Abendlandes geglaubt, nur weil Unterrichtsinhalte wie Comics, umgangssprachliche “Jugendliteratur”, Songtexte etc. in den Unterricht Einzug hielten.
Warum also nicht auch Rappen als Unterrichtsmethode?
Zur Entwicklung eines elaborierten Codes bei den Schülern wird das Ganze allerdings kaum beitragen. Aber was soll’s:
Macht bestimt Schpahs. Fillaischt kann mann ja sowiso stadt der lankwailigen Leerer kuhle Szene-Entertainer vor die Klassen stellen. Kommt sicher gut.

Eigentlich, wenn ich recht bedenke, ist Rappen auch gar nichts Neues im Unterricht… Was mir dazu vor allem einfällt, das ist DIESER Hit:
“Drei-
Drei-
Drei-
Bei Issos Keilerei”

:-D :-D :-D :-D :-D :-D :-D :-D :-D

 

Schall und Rauch?

Namen sind nicht unwichtig.
Sie dokumentieren eine Verbundenheit.
Sie sollen identitätsstiftend sein.

Natürlich ist Namensgebung immer auch abhängig von Zeitströmung. Daran ist zunächst einmal nichts Beklagenswertes.

Kritisch wird die Sachlage allerdings, wenn die Zeitströmung, die die Namensgebung von Institutionen prägte, eine “Unströmung” war, z.B. eine braungefärbte wie zu Zeiten des NS-Regimes.

Dass erst heute aufgedeckt wird, dass über 100 Schulen in Deutschland noch Namen von NS-Größen tragen, ist ein Skandal in meinen Augen.

Der noch größere Skandal ist, dass das viele Schulleiter und Behörden nicht wirklich interessiert:
“Im Falle eines Gymnasiums am Tegernsee sollte 2005 eine zehn Millionen schwere Stiftung des Multimilliardärs und Gründers des Metro-Konzerns Otto Beisheim zur Verewigung im Schulnamen führen. Auf das ablehnende Schulkollegium wurde damals enormer kommunalpolitischer Druck ausgeübt. Beisheim war hochrangiges Mitglied der SS.”

Die Tatsache, dass in Aussagen von Schulleitern das Faktum des “NS-Namens” verharmlost und auf Schul-Websites einfach verschwiegen wird, welch Geistes Kind der Namensgeber war, spricht ihre eigene Sprache.
Ändern lassen wollen viele Direktoren ihren Schulnamen nicht.

Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit, Angst vor negativer Publicity – oder mittlerweile auch schlicht Unwissenheit – all dies sind Gründe, es lieber bei einem NS-Namen zu belassen, als einen Änderungsprozess in Gang zu setzen.

All dies sind aber auch Eigenschaften und Verhaltensweisen, die mir wiederum Unbehagen einflößen: Genau auf solchem Boden sollte man die Schüler von heute nicht wachsen lassen.

Schall und Rauch?
Nomen est Omen?

Die ZEIT berichtet.

 

Es lebe die Tradition!

Gibt es etwas Schöneres als das Bewahren und Lebendig-Halten des Althergebrachten im Umgang mit dem hoffnungsvollen Nachwuchs? Nein, wirklich nicht! Diese subtilen Methoden, dieser differenzierte Umgang mit der Kinderseele. Das tut immer seine Wirkung. Da erfährt der dankbare Schüler doch präzise, wo’s lang geht!!

Voller Freude las ich deswegen auch in der SZ folgenden Artikel:
Lehrerin klebt Kindern Mund zu
“Schwatzen die Schüler, ist ordentlicher Unterricht kaum möglich. Eine Lehrerin aus Sachsen-Anhalt hat eine eigenwillige Lösung für dieses Problem gefunden: Sie klebte Kindern den Mund mit Klebeband zu.”

Hut ab! Da weiß sich doch noch jemand wirklich zu helfen!

Jäh wurde ich in einen Strudel der allerschönsten Erinnerungen gerissen. Voller missionarischer Freude möchte ich doch zu gerne hier und jetzt dieser Lehrerin noch allerlei nützliche Tipps für ihr weiteres segensreiches pädagogisches Wirken mit auf den Weg geben.

Aus meinem reichen Erfahrungsschatz der ersten Volksschulklassen in den 60er Jahren, als das Schuljahr noch nach den Osterferien begann und die Welt auch ansonsten noch in Ordnung war, kann ich sehr empfehlen:
Nase herumdrehen, die Ohren lang ziehen, mit dem Lineal auf den Handrücken schlagen oder mit der Fibel auf den Rücken, 50 Kniebeugen machen lassen, an den Zöpfen ziehen, in die Ecke stellen und den Kopf einmal kurz gegen die Wand knallen, Blumenwasser trinken lassen.

Wenn das alles noch nicht reicht, dann ist man noch lange nicht am Ende seiner Weisheit!
Folgende Kollektivmaßnahme bringt’s garantiert: Man lasse die ganze Klasse aufstehen, beide Arme in die Luft Luft Luft, auf die Zehenspitze stellen und so eine Schulstunde lang den Ernst des Lebens wirken lassen. Schweigend natürlich. Und wehe, jemand rührt sich! Die Wirkung verstärkt sich übrigens bei wiederholter Anwendung dieser Maßnahme. Das ist wie bei Medizin: bitter, wirkt aber auf die Dauer!
Allerdings ist bei dieser überaus nützlichen pädagogischen Intervention Vorsicht geboten: Selbst in den 60er Jahren konnte so etwas zur Versetzung der anordnenden Lehrkraft führen.
Unverständlich eigentlich!

 

Überbehütung und kein Ende: Begluckte Studenten

Ehrlich, eigentlich nicht zu fassen, was da in der SZ zu lesen ist: Wir werden das Kind schon schaukeln! mit dem Untertitel: Gluckende Eltern entwickeln sich zur nationalen Bedrohung: Sie inspizieren Unis, managen Juniors Bewerbung und wollen das Gehalt gleich mitverhandeln.

Das Phänomen scheint nicht neu, aber zunehmend einer Zuspitzung entgegenzugehen.

Überbehütung bei kleineren Kindern, das kennt man ja (seufz). Siehe dazu auch hier und hier und hier.

Eltern können zunehmend nicht loslassen.

Eltern auf Patrouille auf dem Campus, Überprüfung des Niveaus der Lehre, Rechtsstreitigkeiten wegen Noten, Bestimmen des Stundenplans der “Kinder” bis hin zur karrierefreundlichen Auswahl von Seminaren und Professoren: “Helicopter Parents” werden diese Mamis und Papis genannt, die ihre Kinder selbst dann nicht loslassen können, wenn sie schon deutlich über 20 sind.

“Die Helicopter Parents, so glauben einige US-Forscher heute, haben sich zur nationalen Bedrohung entwickelt. Weil sie mit ihrem Gluckentum und Erfolgshunger die Unabhängigkeit einer ganzen Generation verhindern, wie der Pädiatrie-Professor Mel Levine von der Universität North Carolina kürzlich warnte. In Schweden oder Großbritannien gibt es ähnliche Diskussionen.”

Unis haben plötzlich Elternabende im Programm, selbst eine Technische Hochschule wie die in Aachen.

Und der Irrsinn zieht sich noch weiter hin: “Um die besten Köpfe wirbt man am besten über die Eltern. Das hätten auch Unternehmen längst begriffen, sagt Tim Weitzel, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg. Er verweist auf Online-Kampagnen von deutschen Mittelständlern. Diese platzierten Stellenanzeigen gezielt auf Internetseiten, die vor allem Eltern besuchen – auf Sportseiten für Vati und auf Kochseiten für Mutti. Tenor, so Weitzel: “Bei uns hat Ihr Junge eine sichere Zukunft.” Kaum drei Monate habe es gedauert, um so alle wichtigen Stellen optimal zu besetzen. … So haben manche Unternehmen auch bereits kapituliert. Der Computer-Riese Hewlett-Packard hat nach Medienberichten inzwischen mit Eltern zu tun, die die Gehaltsverhandlungen ihrer Kinder führen wollen. Britische PR-Agenturen berichten von Vätern, die vor dem ersten Arbeitstag ihrer Tochter auf deren Sensibilität und Harmoniebedürfnis hinweisen.”

“Beobachtet man, wie die jüngste Generation von Übereltern ihren Nachwuchs dressiert, gibt es wenig Grund zur Entwarnung. Wirtschaftsinformatiker Tim Weitzel wurde kürzlich auf einem Kindergeburtstag in San Francisco in eine “todernste” Diskussion verwickelt. Thema: Welche Schnullerform wirkt sich am besten auf die Synapsen-Vernetzung bei meinem Baby aus? ‘Der Trend, dass Eltern komplett durchdrehen’, resümiert Weitzel trocken, ‘ist sehr anfassbar'”.

Arrrgh!

Meine Meinung: Diese Eltern sind gnadenlos egoistisch!

 

Empfehlungen zur Schulformwahl

Mit den Halbjahreszeugnissen des vierten Schuljahres ist auch immer die Entscheidung über die Schulform der weiterführenden Schule verbunden.
In einigen Bundesländern besteht freie Schulformwahl, d.h., Eltern können trotz gegenteiliger Empfehlung die Schulform für ihre Kinder wählen, die sie bevorzugen.

In anderen Ländern, vor allem auch in NRW, sieht das anders aus – und folgende Überlegungen gelten zunächst auch nur für NRW:

Nach dem Schulgesetz des Landes NRW vom 15.2.2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.6.2006, haben grundsätzlich zunächst die Eltern die Wahl der weiterführenden Schule – allerdings seit der Gesetzesänderung nicht mehr uneingeschränkt. Nach § 11 Abs.4 des Schulgesetzes NRW sieht die Situation – verkürzt – folgendermaßen aus: Aufgrund des Leistungsstandes und weiterer Kriterien erstellt die Lehrkraft des Kindes eine Empfehlung für eine Schulform, evtl. mit dem Zusatz, dass das Kind eingeschränkt auch eine andere Schulform besuchen kann.

An diese Empfehlung sind die Eltern gebunden.
An diese Empfehlung sind auch die Direktoren der Schulen gebunden, die ein Kind, bei dem die betreffende Schulformempfehlung fehlt, nicht einschulen dürfen.

Nun kommt es ja bekanntermaßen bei hochbegabten Kindern durchaus vor, dass sie keine Gymnasialempfehlung bekommen – sei es, weil sie aus Langeweile tagträumten, den Clown spielten, keine Leistung zeigten oder sie gar verweigerten. Keine Gymnasialempfehlung für hochbegabte Kinder, das ist aber sicher in fast allen Fällen eine falsche Entscheidung mit oft fatalen Langzeitwirkungen.

I  Möglichkeiten der Eltern, vor der Schulformempfehlung Einfluss zu nehmen
1.) Gespräch mit dem/der Klassenlehrer/in
Nehmen Sie auf jeden Fall jemanden als Zeugen mit, am besten jemand Neutralen, der/die schriftliche Notizen macht bzgl. der Antworten auf wichtige Fragen wie:
a) Begründung der Schulempfehlung
b) Weiß die Lehrkraft von der besonderen Begabung des Kindes?
c) Wurde Rücksicht auf die besondere Begabung genommen?
d) Reaktion der Lehrkraft auf die Frage, ob ihm/ihr bekannt sei, dass JEDER Schüler ein Recht auf individuelle Förderung hat, auch die hochbegabten Kinder
e) Reaktion auf den Hinweis, dass man im Fall der Fälle Widerspruch einlegen und weitere Schritte einleiten wird.

2.) Gespräch mit dem/der Direktor/in der Schule
Auch hier: Nehmen Sie jemanden möglichst Unbeteiligten als Zeugen mit, der/die schriftliche Notizen macht bzgl. der Antworten auf wichtige Fragen wie die oben formulierten (a – e).

3.) Sinnvoll kann evtl. auch die Einschaltung des Schulamtes sein.

Für all diese Gespräche siehe die Empfehlungen im allerletzten Abschnitt unten.

II  Möglichkeiten der Eltern, die Schulformempfehlung zu verändern:
1.) Vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit:

Beantragung eines Prognoseunterrichts durch fremde Lehrkräfte der gewünschten Schulform. Dieser Prognoseunterricht ist für die Kinder oft sehr belastend, aber doch schaffbar. Nach erfolgreichem Prognoseunterricht können die Kinder dann die gewünschte Schulform besuchen. Erfolgsgarantie: sehr ungewiss; kaum vorhersagbar.

2.)  Möglichkeiten auf dem Rechtsweg:
Gegen die Empfehlung der Grundschule bzw. der Entscheidung des Schulamtes steht Eltern und Schülern Rechtsschutz zu.
Es kann insbesondere im Falle eines hochbegabten Kindes sinnvoll sein, davon Gebrauch zu machen. Da die Ursache schlechter schulischer Leistungen bei hochbegabten Kindern häufig in deren permanenter Unterforderung liegt, ist anzunehmen, dass die Schulform des Gymnasiums in der Regel am geeignetsten für die Motivation der Kinder ist.

Nimmt man diese Möglichkeit in Anspruch, kann man im vorläufigen Rechtsschutz gerichtlich einstweilen die vorläufige Aufnahme des Kindes in die gewünschte Schulform erwirken. Wenn das Kind während des laufenden Verfahrens dann die der Schulform entsprechenden Leistungen erbringt, darf es endgültig bleiben, ansonsten findet die Überprüfung der Empfehlung statt.

Diese Überprüfung ist aber eine rein auf Verfahrensaspekte begründete: Sie beschränkt sich auf Fehler beim Zustandekommen der Prognoseentscheidung!

Bei hochbegabten Kindern dürfte es allerdings einfacher sein, die Schulformempfehlung einer Lehrkraft anzugreifen. Schon die Tatsache, dass ein Kind hochbegabt ist, müsste eine Empfehlung für’s Gymnasium selbstverständlich machen, da alles andere eigentlich gegen anzuwendendes Recht verstößt: § 2 Abs. 11 SchulG NRW, besagt, dass besonders begabte Schüler/innen durch Beratung und ergänzende Bildungsangebote in ihrer Entwicklung zu fördern und dass der Staat verpflichtet ist, im gegebenen Rahmen den besonderen Bedürfnissen dieser Kinder gerecht zu werden. Dafür kommt in unserem Schulsystem eigentlich nur der Besuchs eines Gymnasiums infrage.
Wenn als Argument angeführt wird, keine Gymnasialempfehlung auszusprechen, dass ein hochbegabtes Kind evtl. nicht die entsprechenden Schulnoten für eine Gymnasiumsempfehlung mitbringt, kann man argumentieren, dass das Kind bislang nicht entsprechend seiner Begabungen gefördert worden ist und dass zu erwarten ist, dass eine begabungsentsprechende Förderung auf einem Gymnasium zur Leistungssteigerung führen wird.

Die Korrektheit der gegebenen Schulformempfehlung ist auch dann anzweifelbar, wenn sich die empfehlende Lehrkraft in ihrer Prognoseentscheidung überhaupt nicht mit der Hochbegabung des Kindes auseinandergesetzt hat, sei es, dass sie nichts davon wusste oder dass sie die Hochbegabung trotz Kenntnis völlig außer Acht gelassen hat.

Laut § 11 Abs.4 SchulG NRWO haben die Lehrer – was viele nicht wissen! – NUR eine NEGATIVAUSWAHL hinsichtlich der Schüler, die für eine bestimmte Schulform zu empfehlen sind, zu treffen. Das heißt, es sollen keine Schüler für eine Schulform empfohlen werden, sondern nur die Schüler NICHT empfohlen werden, die eindeutig für eine bestimmte Schulform NICHT geeignet sind. Darin steckt ein mächtiges Argument, denn von einer eindeutigen Nichteignung fürs Gymnasium kann man bei einem hochbegabten Kind normalerweise nicht ausgehen.

Wenn man vorhat, gegen eine Schulform-Empfehlung vorzugehen, sollte man sich vorher einige Dinge schriftlich geben lassen: die Begründung der Lehrkraft für die Empfehlung und auch die Begründungen, die in einem evtl. geführten Gespräch mit der Schule genannt werden.

Jede Klage ist natürlich ein “Versuch”, Erfolg keineswegs garantiert.

Fazit:
Die gütlichste Lösung ist immer die beste.
Häufig kann ein guter schriftlicher Widerspruch seitens der Eltern an die Schule mit Hinweis auf eine Klageabsicht auch schon so manche Schule zum Einlenken bewegen. Das wäre dann für alle der einfachste Weg.

Wichtig vor allem von Anfang an: Nicht den Kopf in den Sand stecken und jahrelang einfach tatenlos zusehen, wie ein hochbegabtes Kind mehr und mehr Motivation und Leistungsfähigkeit und –bereitschaft verliert.
Empfehlenswert ist auf alle Fälle, schon im Vorfeld die Situation im Blick zu haben, wenn eine falsche Empfehlung droht – was ja meist nicht völlig unerwartet geschieht: Auf die Hochbegabung hinweisen, Gespräche führen (am besten mit einem neutralen Zeugen, der cool bleibt), Aufzeichnungen zu machen.

Bitte bleiben Sie in allen Gesprächen zwar fest, aber möglichst freundlich und kooperativ!
Fragen stellen („Wie können wir für das Kind jetzt die beste Lösung finden?“, „Glauben Sie nicht, dass ein hochbegabtes Kind auf der Haupt-/Realschule untergeht?“, „Wissen Sie eigentlich, dass Sie nicht eine Positivwahl, sondern nur eine Negativwahl treffen dürfen?“ (siehe Text), „Wissen Sie eigentlich, dass laut Schulgesetz auch hochbegabte Kinder ein Recht auf individuelle Förderung haben?“ etc. etc.) ist meist die bessere Taktik als Fordern. Eine unangemessen forsche Haltung verschärft normalerweise die Situation. Gehen Sie in diesem Falle besser eine „Instanz“ höher.

 

Verquere Elternträume: Hochbegabung – Biokost – Stil

Freundlicherweise aufmerksam gemacht wurde ich auf einen ironisch-ernstgemeinten Artikel in ZEIT online:
Drei Stufen des Wahnsinns mit dem Untertitel Bio-Kost, Kreativkurse und jetzt auch noch Designer-Klamotten – was tun wir bloß unseren Kindern an?
Das Ganze wird als “Zwischenruf” charakterisiert – und den zu lesen, macht Spaß.