Archiv für die Kategorie Hochbegabung

Heilpädagogik online: Thema Hochbegabung

Die Fachzeitschrift Heilpädagogik online veröffentlicht in ihrem aktuellen Heft 02/09 interessante Artikel zum Thema Hochbegabung und Sonderpädagogik.

Das Heft kann man kostenlos downloaden!

Aus dem Inhalt:

Albert Ziegler
"Ganzheitliche Förderung" umfasst mehr als nur die Person: Aktiotop- und Soziotopförderung

Heidrun Stöger
Die Identifikation Hochbegabter basierend auf einem systemischen Begabungsansatz und deren Relevanz für Begabte mit heilpädagogischem Förderbedarf

Bettina Harder
Twice exceptional – in zweifacher Hinsicht außergewöhnlich: Hochbegabte mit Lern-, Aufmerksamkeits-, Wahrnehmungsstörungen oder Autismus

Philipp Martzog/ Heidrun Stöger/ Albert Ziegler
Neue empirische Befunde zum Underachievement Hochbegabter

Christine Sontag/ Julia Schäfer
Fördermöglichkeiten für Hochbegabte

Robert Grassinger
Beratung Hochbegabter

 

Zum Nachahmen

Noch ein funktionierendes Modell integrativer Beschulung – diesmal hochbegabter Schüler/innen in einer “normalen” Grundschule – schildert das Schwäbische Tagblatt.

Grundschule mit Akademie: In Rottenburg werden an der Kreuzerfeld-Grundschule hochbegabte Kinder aus ganz normalen Schulklassen speziell gefördert.
Dabei ist dort nicht die Revolution ausgebrochen: Nur in sieben Wochenstunden werden die Hochbegabten gesondert unterrichtet.
Das aber reicht. Wobei das wirkliche Wesentliche an dieser Schule mit Sicherheit nicht die gesonderten Unterrichtseinheiten sind, sondern das spezielle Klima, das hochbegabte Schüler in ihrer Eigenart respektiert und unterstützt.
Dass sie einfach ”sein dürfen”, was sie sind – vielleicht die wesentlichste Unterstützung, die man diesen Kindern geben kann. 

In den speziellen Unterrichtsstunden geht es nicht um eine vielleicht beliebige Vielfalt zusätzlicher Themen, sondern vor allem um Vertiefung des Unterrichtsstoffes (zusätzliche Versuche, kompliziertere Begründungszusammenhänge erforschen etc.). Das ist genau die richtige Vorgehensweise: Den Dingen auf den Grund zu gehen, ist ja meist eine der Lieblingsbeschäftigung von Hochbegabten.

“Antje Widmann, die Mutter der achtjährigen Ilka … berichtet von einem „langen Leidensweg“. Ihre Tochter sei an ihrer ursprünglichen Schule depressiv geworden, habe unter Mobbing und Schlafstörungen gelitten und keine sozialen Kontakte mehr gehabt. ‘Jetzt’, so Widmann, ‘freut sie sich auf die Schule und ist ein anderer Mensch.’ Die Mutter führt das auch darauf zurück, dass das Mädchen seine besondere Begabung nun ausleben kann, ohne von Mitschülern gehänselt oder von Lehrern ausgebremst zu werden. ‘Hier darf sie mit negativen Zahlen rechnen. Hier wird sie respektiert.’“

Das Geheimnis, warum die hochbegabten Kinder sich wohlfühlen: “Kein Kind muss sich mehr zurückhalten.”

Was mir bei diesem Modell besonders gefällt, ist Folgendes:
”Einen Eignungstest für die Jugendakademie führt die Kreuzerfeld-Grundschule vor der Aufnahme der Kinder nicht durch. Wie Schulleiterin Frauke Betz erklärt, baut die Schule auf die Beobachtungen von Eltern, Lehrer/innen und Erzieher/innen. Denn so genannte hochbegabte Kinder fallen oft auf durch sehr einseitige Begabungen, die mit Unterforderung, Langeweile, Konzentrationsschwächen und schlechten schulischen Leistungen gekoppelt sein können.”

Das zeigt, dass da wirklich etwas verstanden wurde: Nicht nur hochleistende Hochbegabte haben hier eine Chance auf Akzeptanz und Förderung, sondern vor allem auch die sog. Underachiever, die hochbegabten Minderleister. Diese erregen eher durch problematisches Verhalten Aufmerksamkeit und fallen häufig durch alle Raster der Hochbegabtenförderung, weil diese oft nur die publikumswirksamen Hochleister im Blick haben. Gerade bei den Underachievern ist es aber elementar wichtig, früh Unterstützung zu leisten, um ihnen eine in jeder Hinsicht positive Entwicklung zu ermöglichen.

In der Kreuzerfeld-Grundschule scheint man – gepaart mit dem entsprechenden pädagogischen Fachwissen über Hochbegabung – wirklich den “individuellen Blick” auf die Kinder zu haben.
Hut ab!

 

Bildung = Wissen + ?

Auf Spiegel online las ich ein Interview mit Günther Jauch mit dem Titel Bildung kann man nicht downloaden: ein bisschen was Buntes, ein bisschen Lebensweisheit.

Aufmerken lassen haben mich allerdings die letzten Sätze des Interviews:

”Wissen wird erst zu Bildung durch die Persönlichkeit eines Menschen. …
Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen!”

Wie wahr!

Im Lichte dieses Satzes – und nicht nur dort – ist es extrem kritisch, zu beobachten, wie im Zuge des “Turbo-Abis” Lehrpläne bis hin zu rudimentärem Oberflächenwissen hin verkürzt werden, das dann auch noch in einer alle überfordernden und auch unwürdigen Tour de Force, immer mit Blick auf Pisa und/oder die alldrohenden Kollektiv-Klausuren, auf die Schüler niedergeprügelt wird.

Im Lichte dieses Satzes erscheint es immer unsinniger, zielidentisches Lernen in Klassen als unausgesprochenes Dogma um jeden Preis immer weiter zu praktizieren – auf dem Rücken der Schwachen und der Begabten gleichermaßen.

Was erwartet man, auf diese Weise bei den Schülern erreichen zu können:
Liebe zum Lernen?
Fähigkeit zum Wissenstransfer?
Interesse zu wecken an Themen?
Lebensfreude, die motiviert, die Welt zu entdecken?
Lust, Position zu beziehen?
Freude an einem Hobby, daran, an einem Punkt in die Tiefe zu gehen?
Fähigkeit, differenziert zu denken?
Auf der Basis von Wissen reifen zu können?

”Wissen wird erst zu Bildung durch die Persönlichkeit eines Menschen. …
Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen!”

 

Unabsehbare Folgen: Mobbing in der Schule

Gar nicht viele Worte verlieren will ich zu dem sehr ausführlichen und betroffen machenden Artikel im Süddeutschen Magazin dieser Woche: Hurensohn! Stück Scheiße! Arschloch!, der sich mit Mobbing in der Schule beschäftigt. Ich wünsche ihm viele Leser.

Natürlich weiß ich, dass Schüler/innen aus den unterschiedlichsten Gründen zu Mobbingopfern werden. Da einer der Schwerpunkte dieses Blogs aber das Thema Hochbegabung ist und sich in besagtem Artikel ein entsprechendes Beispiel findet, sei es hier zitiert:

“Maximilian ist hochbegabt, er spielt nicht Fußball, sondern reitet und liest Sachbücher über den Holocaust. Maximilian ist vier Jahre lang in der Grundschule von seinen Mitschülern gequält worden, obwohl er dort einmal sogar die Klasse gewechselt hat. »Als die Mitschüler in der neuen Klasse von seinen Hobbys erfuhren, war es dort auch sofort vorbei«, sagt seine Mutter. Seit Sommer 2008 besucht Maximilian eine Realschule in der Nähe von Wolfsburg und wird weiter schikaniert. Zwei Jungs aus seiner Grundschule sind wieder in seiner Klasse.
Maximilian ist als Hurensohn, Stück Scheiße, Arschloch, Scheißbullensohn, Idiot beschimpft worden. Seine Mitschüler haben ihm ins Gesicht gespuckt, ihn im Handarbeitsunterricht mit Nadeln gestochen, ihm in den Arm gebissen, sodass die Wunde verbunden werden musste, und sie haben ihm einen Zahn ausgeschlagen. Ein Lehrer hat mal zu Maximilian gesagt: »Dann darfst du halt nicht so schlau tun«, ein anderer hat ihn »verwöhntes Früchtchen« genannt.
Maximilian antwortet auf die Frage, wie es ihm geht: »Nicht so prickelnd.« Er ist ein Zyniker – mit elf Jahren. Er hält die Kinder, die ihn plagen, mittlerweile für minderbemittelt. »Reden bringt bei denen nichts.« Wenn seine Mutter ihn morgens wecken will, öffnet sie eine Tür, auf die Totenköpfe gemalt sind, daneben steht: »Weckt mich nicht!« Wenn man sein Zimmer betritt, muss man Angst haben, dass seine aus Legosteinen gebaute Selbstschussanlage losgeht. »Ich gehe dem Mobbing aus dem Weg, indem ich oft nicht in die Schule gehe«, sagt Maximilian. …Maximilian bezeichnet sich als »dauerpessimistisch«. Es ist also davon auszugehen, dass er leidet und dass sein Leid nur von ihm allein zu ermessen ist. Außerdem ist davon auszugehen, dass Eltern sehr hilflos sind in einer solchen Situation. »Im letzten Monat haben wir ihn jeden Morgen zur Schule gebracht, weil wir Angst hatten, dass er sich etwas antut, wenn wir ihn allein losschicken«, sagt seine Mutter.
Längst wirken sich Maximilians Schulprobleme auf die ganze Familie aus. Sein Vater will ihn morgens zwingen, in die Schule zu gehen. Maximilian flippt aus, wird aggressiv, auch gegen die beiden älteren Schwestern. Oder er verzweifelt und wendet sich Hilfe suchend an seine Mutter. Aber die verstummt nur. Was soll sie tun? Sie spürt die Nöte ihres Sohnes und ist trotzdem machtlos.
Ob er sich wünscht, in eine Klasse zu gehen, in der er gemocht wird? Maximilian überlegt: »Ich glaub schon. Aber ich glaub, das geht nicht mehr.« Was würde er sich denn überhaupt wünschen? Maximilian überlegt wieder. Soll er cool sein, den Zyniker geben? Das kann er doch so gut. Aber dann sagt er: »Dass es einfach aufhört.« Pause. Und ergänzt, ganz leise: »Es wäre besser, wenn ich nicht existieren würde.«”

Um ehrlich zu sein: Natürlich macht diese Geschichte – wie alle Mobbing-Erfahrungen – betroffen. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass im Falle Maximilians auch noch andere Dinge falsch laufen. Wieso um alles in der Welt  ist ein solcher hochbegabter Junge überhaupt auf der Realschule?
Dieser Frage sollte man tunlichst nachgehen – unter Einbeziehung der familiären Problematik, die mit Sicherheit in der Familie von Maximilian zu finden ist. Ungeschickte und falsche Entscheidungen im Elternhaus haben auch immer ihre Gründe und beeinflussen die Situation einen Kindes natürlich extrem, hier bei Maximilian bis hin zu einer unerträglichen Lebenssituation, die jeder kennt, aber keiner abzuändern bereit zu sein scheint.

 

Ritalin und Hochbegabung

Zweifelhafte “Wunderwaffe” Ritalin!

In der letzen Zeit waren vermehrt kritische Artikel über die Diagnose “Hyperaktivität”und die medikamentöse Therapie von Kindern mit Ritalin und vergleichbaren Präparaten zu finden.
Die hier zitierten Stellen stammen aus:
Lieblingsdiagnose: Zappelphilipp (SZ) und
Ritalin-Kinder: Die Lehrer sind überfordert (Tagesanzeiger)

Die Verschreibung von Ritalin aufgrund der Diagnose ADHS ist in den letzten Jahren dermaßen sprunghaft angestiegen, dass es äußerst zweifelhaft erscheint, dass dieses Medikament tatsächlich immer nach wirklich sorgfältiger Diagnose verordnet wurde und wird.
So sagt denn auch Florian Heinen, Leiter der Kinderneurologie am Haunerschen Kinderspital der Universität München: “ADHS ist eine argumentative Missbrauchsplattform”.
Und: “Ritalin ist für die Lehrer der schnellste Weg, auffällige Kinder in den Griff zu bekommen” (Georg Feuser, Professor für Sonderpädagogik an der Universität Zürich).

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt Kinder und es gibt auch Erwachsene, für die Ritalin ein wirklicher Segen ist und die durch die Einnahme dieses Medikamentes zum ersten Mal überhaupt in die Lage versetzt werden, ein alltagstaugliches Leben führen zu können.

Das “Aber” wiegt dennoch schwer:

“Manchmal kommt die Diagnose ADHS aber auch eher den Bedürfnissen der Eltern, Psychologen, Ärzte und Erzieher entgegen und nicht den Kindern. Wenn endlich eine medizinische Erklärung für auffälliges Verhalten gefunden wird, und sich alle darauf geeinigt haben, dass das Kind krank ist, sind andere Beteiligte entlastet. Familiäre oder schulische Konflikte bleiben dann unbenannt. Und Ärzte müssen nicht mühsam das soziale Geflecht entwirren, in das ein Kind möglicherweise verstrickt ist. … Es gibt Hinweise auf psychosoziale Ursachen des Leidens. Stress verschlimmert die Beschwerden. Bei Kindern aus Unterschichtfamilien und von Alleinerziehenden wird häufiger ADHS diagnostiziert. In Migrantenfamilien ist das Leiden hingegen seltener."
Vielleicht weil dort mehr Toleranz für aktive und tobende Kinder zu finden ist?

Auch in der Beratung Eltern hochbegabter Kinder höre ich immer häufiger, dass Kindern mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit gegen ihre “Unruhe” in der Schule und ihren “Konzentrationsmangel” Ritalin verordnet wurde, sehr schnell meist – und höre von den Eltern im selben Moment, dass ihre Kinder aber stundenlang konzentriert arbeiten würden, wenn ihnen etwas Schwierigeres als üblich vorgelegt wird.
Ich kann mich da nur an den Kopf greifen!

Hört da keiner die Signale?!?

Häufig sind diese Kinder schon als hochbegabt diagnostiziert. Statt dass nun aber Konsequenzen aus dieser Diagnose gezogen worden wären – Überspringen einer Klasse, besondere Aufgaben etc. – wurde so getan, als sei nichts und ließ alles einfach weiterlaufen wie gehabt. Das Kind blieb natürlich unruhig wie zuvor.
Da sollte es dann das Ritalin richten.
Dieses Vorgehen grenzt an Körperverletzung – von der seelischen Qual nicht zu reden, die die Kinder erdulden müssen, weil keiner mit ihnen vernünftig umzugehen vermag.

Im Tagesanzeiger lese ich nun dies:
“Studien zeigen, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Aufmerksamkeits-Syndrom und Hochbegabung besteht. Manche betroffene Eltern glauben darum, dass ihre Kinder hochbegabt sind.”

Auch da kann ich mich nur an den Kopf greifen: Viele dieser “auffälligen” Kinder haben doch gar kein Aufmerksamkeitssyndrom, sondern sind chronisch unterfordert und wissen nicht, wohin mit sich!!!
Dass man sich NICHT mit ruhiger Konzentration auf das zwanzigste Blatt mit der Aufgabe, das 8000ste “Q” auszumalen stürzt, wenn man schon fließend lesen und auch vernünftig schreiben kann, das hat mit ADHS nichts zu tun, sondern mit der pädagogischen Unfähigkeit der betroffenen Lehrer und Eltern.

Umgekehrt wird ein Schuh aus der Aussage des Tagesspiegels: Viele Eltern (und Lehrer) glauben nicht, dass die betroffenen Kinder hochbegabt sind und dichten ihnen ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom an, damit sich das “Problem” mit Ritalin erledigen lässt.

Es ist viel die Rede von überehrgeizigen Eltern, die aus ihren verhaltensauffälligen Kindern gerne hochbegabte machen wollen: Ich habe allerdings in den vielen Jahren der Beratung dieses Phänomen sehr selten angetroffen. Die Eltern, mit denen ich gesprochen habe, neigen eher dazu, die Hochbegabung ihrer Kinder herunterzuspielen, sie wollen meist nur ein “normales” Kind und neigen gerne allzu schnell dazu, übereifrigen Ärzten zu glauben, mit Ritalin würde alles wieder heile werden – einfach so.

Dafür spricht auch Folgendes:
"Viele Kinder mit der Diagnose haben kein Aufmerksamkeitsdefizit – ihre Aufmerksamkeit ist nur nicht da ist, wo Eltern oder Lehrer sie gerne hätten", sagte ein Arzt für Familientherapie in einem Vortrag. Er bekam Anrufe empörter Eltern. Sie entrüsteten sich darüber, dass ihren Kindern die Diagnose streitig gemacht wurde.”

 

Jawoll: Das ist die Richtung!

“Die Unterschiede zwischen Schülern wachsen, die Vorstellung von homogenen Klassen ist überholt. In Zukunft sollen die Lehrer mehr moderieren, weniger dozieren – und die Fähigkeiten jedes Einzelnen fördern. … Die Schule entdeckt den einzelnen Schüler. Ob auf Fortbildungen oder Lehrerkonferenzen, in bildungspolitischen Statements oder wissenschaftlichen Vorträgen: Kein Thema steht derzeit so häufig im Mittelpunkt wie die »Individualisierung des Unterrichts«. Was bislang nur an Vorzeigeschulen und einigen deutschen Grundschulen gelingt, sollen bald alle Lehranstalten des Landes können: die Unterschiede der Schüler als Vorteil anstatt als Belastung zu betrachten.

Nicht mehr der »imaginäre Durchschnittsschüler«, sagt der Schulforscher Andreas Helmke, gelte als Leitbild der Lehrer. In Zukunft soll ihr Unterricht die Talente und Interessen des Einzelnen fördern. In Nordrhein-Westfalen könnten Eltern seit Kurzem sogar einen solchen Unterricht für ihr Kind einklagen. Gleich im ersten Satz verspricht das neue Schulgesetz des Landes »individuelle Förderung« für jeden.”

Nur so wird es gehen. Nicht anders kann es gehen, vor allem wenn tatsächlich, wie jetzt nach der Unterzeichnung der entsprechenden UN-Konvention gefordert, Sonderschüler jeglicher Art bald an Regelschulen unterrichtet werden müssen. 

Zielidentisches Unterrichten ist schon lange eine überholte Abgelegenheit! Hochbegabte Schüler wissen ein Lied mit unendliche vielen Strophen darüber zu weinen. Und auch an Schülern mit spezifischen Schwierigkeiten wie LRS, Dyskalkulie, Sprachproblemen etc. wird mit einer zielidentisch ausgerichteten Methodik vorbeiunterrichtet.

“Hinter dem bildungspolitischen Appell steckt der Aufruf zu einer Revolution im Klassenraum. Bisher gilt dort das Gesetz der pädagogischen Einfalt. Vorn steht ein Lehrer, der nach einem Lehrplan und einem Notenraster eine Gruppe beschult. Nun soll der Unterricht plötzlich der Vielfalt frönen.”

Ja! Ja! Ja!
Soll er!
Muss er!
Nur so wird es gehen!

Man lese in der ZEIT:  Alle zum Einzeltraining

 

Pädagogik in Deutschland 2009

Ich sollte mich daran gewöhnt haben, schließlich habe ich über 15 Jahre Erfahrung in der Beratung Eltern hochbegabter Kinder. Manche Geschichten ziehen mir aber immer noch die Schuhe aus – und die vor kurzem hier geschilderte “pädagogische Meisterleistung” einer Lehrerin, die Schülern, die im Unterricht plapperten, kurzerhand den Mund zuklebte, wirkt dagegen wie eine Methode der Reformpädagogik.

Grundschule in einer relativ großen Stadt. Gelangweilt auffälliger, sehr stiller und ein wenig unglücklich erscheinender, leistungsmäßig aber sehr guter Schüler wird einer allgemeinen Diagnostik unterzogen, u. a. einem IQ-Test. Ergebnis: Hochbegabung, überall deutlich über 130. Die Mutter ist so “dumm”, dies der Lehrerin zu berichten, in der Hoffnung auf Besserung des Verhaltens und des psychischen Zustandes des Kindes durch ein bisschen Förderung.
Das Gegenteil geschieht: ein Leidensweg beginnt.
Gemobbt wird das Kind nicht durch seine Klassenkameraden, sondern durch die Lehrerin. Ich kann und will das alles gar nicht schildern. Nur den Höhepunkt des Ganzen: Der Schüler hatte sich unterkühlt, musste häufiger zur Toilette. Vor der Klassenarbeit war er noch gegangen, aber es reichte nicht: er musste während der Stunde wieder. Trotz mehrfachen Bittens und Bettelns verweigerte die Lehrerin ihm bis zuletzt den Toilettengang. Schließlich machte der Junge in seiner Not unter sich – und musste danach noch drei Stunden lang, bis zur 6. Stunde, in seiner nassen Hose am Unterricht teilnehmen! Auf die empörte Reaktion der Mutter kam nur die Bemerkung, dass der Junge ein Attest hätte vorweisen müssen, um häufiger die Toilette besuchen zu dürfen.
Der Junge ging irgendwann morgens nur noch nach Erbrechen in die Schule.
Es wurde versucht, den Jungen an einer anderen Grundschule der Stadt unterzubringen, was durch Anrufe seiner Lehrerin und des Schulleiters, die den Schüler diffamierten, erfolgreich boykottiert wurde – und die Situation des Jungen verschlimmerte, weil die “Pädagogen” den Versuch, die Schule zu wechseln als persönliche Beleidigung erlebten.
Ein verzweifelter Anruf der Mutter beim Schulamt, der vorgesetzten Behörde, ging so aus: “Das kann ich mir nicht vorstellen in dieser Schule. Gute Frau, regen Sie sich gefälligst nicht künstlich auf!” Der Mensch vom Schulamt macht übrigens Sport mit dem Direktor der Schule: Was kann man da erwarten? 
Da steht man hilflos und beißt in die Tapete.
Schließlich wurde dem Jungen verboten, im Unterricht noch etwas zu sagen.
Die Situation eskalierte daraufhin weiter bis dahin, dass ein schon zugesagter Platz an einem sehr guten Gymnasium, das auch hochbegabte Schüler fördert, ohne Begründung wieder abgesagt wurde, so dass der Junge im Moment ohne Perspektive auf einen Platz an einer weiterführenden Schule da steht. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Die Mutter erreichte, dass der Junge nun eine Grundschule in einer angrenzenden Stadt besuchen kann. Der Junge lebt auf, wirkt wie befreit. Zu seinem Geburtstag hatte er die Freunde aus seiner alten Klasse eingeladen: Alle haben sie abgesagt. Begründung: Wenn die Klassenlehrerin erfahren würde, dass sie ihn besucht hätten, würden sie Schwierigkeiten bekommen.

 

Von allen guten Geistern verlassen

Die Empfehlungen zur Schulformwahl sind geschrieben, und mit und mit bekomme ich von betroffenen Eltern hochbegabter Kinder Rückmeldungen, welche Absurditäten dort abgeliefert worden sind.

Generell weise ich noch einmal auf meinen Beitrag zum eventuell notwendigen Widerspruch gegen die Schulempfehlung hin.

Jüngstes Beispiel (sprachlich verändert) für eine konfuse und abstruse Argumentführung, die ein getestetes hochbegabtes Kind schließlich auf die Hauptschule verbannen soll:

“XXX verfügt über weit überdurchschnittliche Kenntnisse in fast jedem Bereich und über einen erstaunlichen Wissensdurst. … Er/sie zeigt jedoch häufiger auffälliges Verhalten, ist desinteressiert am aktuellen Unterrichtsgeschehen und lässt es an Sorgfalt bei der Erledigung aufgegebener Arbeiten fehlen. … In seiner/ihrer Klasse findet er/sie bis heute keinen rechten Anschluss. … Aufgrund seines/ihres Arbeits- und Sozialverhaltens ist eine Empfehlung für die Hauptschule auszusprechen. …”

In manchen Fällen sollte man tatsächlich vielleicht doch besser coole Szene-Entertainer vor die Klassen stellen…

 

Empfehlungen zur Schulformwahl

Mit den Halbjahreszeugnissen des vierten Schuljahres ist auch immer die Entscheidung über die Schulform der weiterführenden Schule verbunden.
In einigen Bundesländern besteht freie Schulformwahl, d.h., Eltern können trotz gegenteiliger Empfehlung die Schulform für ihre Kinder wählen, die sie bevorzugen.

In anderen Ländern, vor allem auch in NRW, sieht das anders aus – und folgende Überlegungen gelten zunächst auch nur für NRW:

Nach dem Schulgesetz des Landes NRW vom 15.2.2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.6.2006, haben grundsätzlich zunächst die Eltern die Wahl der weiterführenden Schule – allerdings seit der Gesetzesänderung nicht mehr uneingeschränkt. Nach § 11 Abs.4 des Schulgesetzes NRW sieht die Situation – verkürzt – folgendermaßen aus: Aufgrund des Leistungsstandes und weiterer Kriterien erstellt die Lehrkraft des Kindes eine Empfehlung für eine Schulform, evtl. mit dem Zusatz, dass das Kind eingeschränkt auch eine andere Schulform besuchen kann.

An diese Empfehlung sind die Eltern gebunden.
An diese Empfehlung sind auch die Direktoren der Schulen gebunden, die ein Kind, bei dem die betreffende Schulformempfehlung fehlt, nicht einschulen dürfen.

Nun kommt es ja bekanntermaßen bei hochbegabten Kindern durchaus vor, dass sie keine Gymnasialempfehlung bekommen – sei es, weil sie aus Langeweile tagträumten, den Clown spielten, keine Leistung zeigten oder sie gar verweigerten. Keine Gymnasialempfehlung für hochbegabte Kinder, das ist aber sicher in fast allen Fällen eine falsche Entscheidung mit oft fatalen Langzeitwirkungen.

I  Möglichkeiten der Eltern, vor der Schulformempfehlung Einfluss zu nehmen
1.) Gespräch mit dem/der Klassenlehrer/in
Nehmen Sie auf jeden Fall jemanden als Zeugen mit, am besten jemand Neutralen, der/die schriftliche Notizen macht bzgl. der Antworten auf wichtige Fragen wie:
a) Begründung der Schulempfehlung
b) Weiß die Lehrkraft von der besonderen Begabung des Kindes?
c) Wurde Rücksicht auf die besondere Begabung genommen?
d) Reaktion der Lehrkraft auf die Frage, ob ihm/ihr bekannt sei, dass JEDER Schüler ein Recht auf individuelle Förderung hat, auch die hochbegabten Kinder
e) Reaktion auf den Hinweis, dass man im Fall der Fälle Widerspruch einlegen und weitere Schritte einleiten wird.

2.) Gespräch mit dem/der Direktor/in der Schule
Auch hier: Nehmen Sie jemanden möglichst Unbeteiligten als Zeugen mit, der/die schriftliche Notizen macht bzgl. der Antworten auf wichtige Fragen wie die oben formulierten (a – e).

3.) Sinnvoll kann evtl. auch die Einschaltung des Schulamtes sein.

Für all diese Gespräche siehe die Empfehlungen im allerletzten Abschnitt unten.

II  Möglichkeiten der Eltern, die Schulformempfehlung zu verändern:
1.) Vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit:

Beantragung eines Prognoseunterrichts durch fremde Lehrkräfte der gewünschten Schulform. Dieser Prognoseunterricht ist für die Kinder oft sehr belastend, aber doch schaffbar. Nach erfolgreichem Prognoseunterricht können die Kinder dann die gewünschte Schulform besuchen. Erfolgsgarantie: sehr ungewiss; kaum vorhersagbar.

2.)  Möglichkeiten auf dem Rechtsweg:
Gegen die Empfehlung der Grundschule bzw. der Entscheidung des Schulamtes steht Eltern und Schülern Rechtsschutz zu.
Es kann insbesondere im Falle eines hochbegabten Kindes sinnvoll sein, davon Gebrauch zu machen. Da die Ursache schlechter schulischer Leistungen bei hochbegabten Kindern häufig in deren permanenter Unterforderung liegt, ist anzunehmen, dass die Schulform des Gymnasiums in der Regel am geeignetsten für die Motivation der Kinder ist.

Nimmt man diese Möglichkeit in Anspruch, kann man im vorläufigen Rechtsschutz gerichtlich einstweilen die vorläufige Aufnahme des Kindes in die gewünschte Schulform erwirken. Wenn das Kind während des laufenden Verfahrens dann die der Schulform entsprechenden Leistungen erbringt, darf es endgültig bleiben, ansonsten findet die Überprüfung der Empfehlung statt.

Diese Überprüfung ist aber eine rein auf Verfahrensaspekte begründete: Sie beschränkt sich auf Fehler beim Zustandekommen der Prognoseentscheidung!

Bei hochbegabten Kindern dürfte es allerdings einfacher sein, die Schulformempfehlung einer Lehrkraft anzugreifen. Schon die Tatsache, dass ein Kind hochbegabt ist, müsste eine Empfehlung für’s Gymnasium selbstverständlich machen, da alles andere eigentlich gegen anzuwendendes Recht verstößt: § 2 Abs. 11 SchulG NRW, besagt, dass besonders begabte Schüler/innen durch Beratung und ergänzende Bildungsangebote in ihrer Entwicklung zu fördern und dass der Staat verpflichtet ist, im gegebenen Rahmen den besonderen Bedürfnissen dieser Kinder gerecht zu werden. Dafür kommt in unserem Schulsystem eigentlich nur der Besuchs eines Gymnasiums infrage.
Wenn als Argument angeführt wird, keine Gymnasialempfehlung auszusprechen, dass ein hochbegabtes Kind evtl. nicht die entsprechenden Schulnoten für eine Gymnasiumsempfehlung mitbringt, kann man argumentieren, dass das Kind bislang nicht entsprechend seiner Begabungen gefördert worden ist und dass zu erwarten ist, dass eine begabungsentsprechende Förderung auf einem Gymnasium zur Leistungssteigerung führen wird.

Die Korrektheit der gegebenen Schulformempfehlung ist auch dann anzweifelbar, wenn sich die empfehlende Lehrkraft in ihrer Prognoseentscheidung überhaupt nicht mit der Hochbegabung des Kindes auseinandergesetzt hat, sei es, dass sie nichts davon wusste oder dass sie die Hochbegabung trotz Kenntnis völlig außer Acht gelassen hat.

Laut § 11 Abs.4 SchulG NRWO haben die Lehrer – was viele nicht wissen! – NUR eine NEGATIVAUSWAHL hinsichtlich der Schüler, die für eine bestimmte Schulform zu empfehlen sind, zu treffen. Das heißt, es sollen keine Schüler für eine Schulform empfohlen werden, sondern nur die Schüler NICHT empfohlen werden, die eindeutig für eine bestimmte Schulform NICHT geeignet sind. Darin steckt ein mächtiges Argument, denn von einer eindeutigen Nichteignung fürs Gymnasium kann man bei einem hochbegabten Kind normalerweise nicht ausgehen.

Wenn man vorhat, gegen eine Schulform-Empfehlung vorzugehen, sollte man sich vorher einige Dinge schriftlich geben lassen: die Begründung der Lehrkraft für die Empfehlung und auch die Begründungen, die in einem evtl. geführten Gespräch mit der Schule genannt werden.

Jede Klage ist natürlich ein “Versuch”, Erfolg keineswegs garantiert.

Fazit:
Die gütlichste Lösung ist immer die beste.
Häufig kann ein guter schriftlicher Widerspruch seitens der Eltern an die Schule mit Hinweis auf eine Klageabsicht auch schon so manche Schule zum Einlenken bewegen. Das wäre dann für alle der einfachste Weg.

Wichtig vor allem von Anfang an: Nicht den Kopf in den Sand stecken und jahrelang einfach tatenlos zusehen, wie ein hochbegabtes Kind mehr und mehr Motivation und Leistungsfähigkeit und –bereitschaft verliert.
Empfehlenswert ist auf alle Fälle, schon im Vorfeld die Situation im Blick zu haben, wenn eine falsche Empfehlung droht – was ja meist nicht völlig unerwartet geschieht: Auf die Hochbegabung hinweisen, Gespräche führen (am besten mit einem neutralen Zeugen, der cool bleibt), Aufzeichnungen zu machen.

Bitte bleiben Sie in allen Gesprächen zwar fest, aber möglichst freundlich und kooperativ!
Fragen stellen („Wie können wir für das Kind jetzt die beste Lösung finden?“, „Glauben Sie nicht, dass ein hochbegabtes Kind auf der Haupt-/Realschule untergeht?“, „Wissen Sie eigentlich, dass Sie nicht eine Positivwahl, sondern nur eine Negativwahl treffen dürfen?“ (siehe Text), „Wissen Sie eigentlich, dass laut Schulgesetz auch hochbegabte Kinder ein Recht auf individuelle Förderung haben?“ etc. etc.) ist meist die bessere Taktik als Fordern. Eine unangemessen forsche Haltung verschärft normalerweise die Situation. Gehen Sie in diesem Falle besser eine „Instanz“ höher.

 

Mobbing der Mütter

Schlau, selbstgenügsam und isoliert heißt ein Titel in Focus Online Schule, den ich nicht wirklich erhellend finde.

Einen Aspekt behandelt er jedoch ganz kurz, der nahtlos an meinen letzten Beitrag anschließt: Mobbing. Diesmal nicht explizit das der hochbegabten Kinder, sondern das Mobbing der Eltern hochbegabter Kinder, vor allem der Mütter – meist durch andere Mütter.

Bei uns zumindest war es so, dass ich als Mutter durchaus gemobbt wurde durch andere Mütter, obwohl mein Sohn – und wir als Familie generell – eigentlich sehr kommunikativ und unproblematisch waren und nirgendwo auf einem besonderen Status bestanden oder Sonderbehandlung eingefordert hätten. Wir haben versucht, gemeinsam mit anderen unseren Weg zu gehen. Hochbegabte Kinder sind aber in manchen Dingen nun mal anders – und wenn die Andersartigkeit “nur” darin liegt, beste Noten zu schreiben und sprachlich sehr gewandt zu sein.

Ausgrenzung von Eltern hat viele Gesichter:
Mütter stehen auf und gehen weg, wenn man sich am Sandkasten neben sie auf die Bank setzt – weil sie gehört hatten, dass der noch nicht 2-Jährige unbefangen und fließend von den ersten Brettspielen erzählte, die er so liebte. Das wurde weitergetuschelt – und hatte Effekte für Jahre.

Abfällige Bemerkungen jedweder Art, boshafte Kommentare, weil ein Kind viele Dinge früh allein tun kann und tun darf, psychisches Unter-Druck-Setzen bei der vorzeitigen Einschulung als Rabenmutter (selbst wenn es sich nur um 3 Wochen über den Stichtag handelt), die dem armen Kind die Kindheit stiehlt, Abqualifizierung als “nicht normal”, als überehrgeizig, Äußerung von Abneigung, Behandeln, als sei man Luft, kein Grüßen etc.

Die Mobbingprobleme, die man als Eltern hochleistender hochbegabter Kinder hat, sind oft schon nicht von “schlechten Eltern”. Viel schlimmer trifft es aber noch die Eltern, deren Kinder zu den Underachievern gehören, die trotz Hochbegabung schlechte Leistungen bringen, evtl. Verhaltensauffälligkeiten zeigen und sich völlig verweigern. Da gibt es Geschichten…

Es sind nicht einzelne Ereignisse, die betroffen und traurig machen: Es ist eine Grundmelodie über Jahre, die nicht aufhört und mit der man irgendwie zurechtkommen muss.

Schlimm ist vor allem, dass man nicht einfach mal so etwas erzählen darf, dass man sozial insofern isoliert ist, als es im normalen Alltagsleben mit einem hochbegabten Kind kaum möglich ist, Alltagsprobleme, Erfolge und Misserfolge mit denen zu besprechen, die diesen (Schul-)Alltag über Jahre hinweg teilen.

Manche Mütter schwärmen wochenlang, dass ihre Schackeline endlich zwei Dreien in Englisch geschrieben hat. Dass das eigene Kind fast nur Einsen nach Hause bringt, muss man tunlichst verschweigen. Ehrlich: ohne angeben zu wollen: Das ist nicht einfach, denn es ist doch auch ein Glück, das man spontan mit andern teilen möchte. Einfach als Glück!

Man lernt, zu schweigen.

Besonders getroffen hat mich persönlich damals folgende, vielleicht sogar eher unscheinbare Situation, in der kein Wort fiel, die mir aber sehr nah- und nachgegangen ist:
Die Zwölft-Klässler wurden gegen 18:00 Uhr mit dem Bus von ihrer Abiturfahrt zurückerwartet. Eltern der 18-20-Jährigen standen im Kreis und unterhielten sich, während sie warteten. Mein Sohn war noch nicht lange in dieser Stufe, war gesprungen und mit seinen 16 Jahren natürlich der Jüngste – und wieder der Beste. Ich kam dazu und wollte mich halt einfach normal in diesen Elternkreis dazustellen und mit den anderen zusammen auf den Bus warten. Als das bemerkt wurde, ging, ohne dass ein Wort fiel, in Sekundenschnelle ein Ruck, eine Bewegung, durch den gesamten Kreis: Er wurde eng gezogen, und ich bekam keinerlei Möglichkeit, mich dazuzustellen. Ich stand alleine hinter dem Block der Rücken der anderen Eltern, völlig isoliert und ignoriert und ausgegrenzt, während diese einfach weiterplauderten.

Ähnlich war unsere Erfahrung beim Abiturball, bei dem während des gesamten Abends ein einziger Lehrer mit uns Eltern sprach, sonst niemand – und Versuche, von uns aus auf die anderen Eltern zuzugehen, vollständig ignoriert wurden und im Sande verliefen.

Was uns alle über die Jahre der Schulzeit “gerettet” hat, das war die DGhK, damals noch im Aufbau, als das Wort “Hochbegabung” mehr tabu war als alles, was z.B. sexuelle Sprache zu bieten hat. Wenn wir dort nicht die Möglichkeit zum Austausch gefunden hätten in einem Kreis von Eltern, denen es genau so ging wie uns – dann wäre alles sehr viel schwieriger geworden.
Auch für die Kinder ist es eine unüberschätzbare Gelegenheit, sich “normal” zu fühlen, wenn sie mit “Gleichgepolten” zusammenkommen können.

Hochbegabte Eltern und Kinder miteinander und untereinander: Dies ist letztlich natürlich kein Ersatz für Kontakte im alltäglichen Umfeld. Diese Treffen sind jedoch ein lebenswichtiger Ausgleich für viele Dinge, die Eltern hochbegabter Kinder nicht mit anderen Eltern und hochbegabte Kinder nicht mit den Gleichaltrigen um sie herum leben können.