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Zum Nachahmen

Noch ein funktionierendes Modell integrativer Beschulung – diesmal hochbegabter Schüler/innen in einer “normalen” Grundschule – schildert das Schwäbische Tagblatt.

Grundschule mit Akademie: In Rottenburg werden an der Kreuzerfeld-Grundschule hochbegabte Kinder aus ganz normalen Schulklassen speziell gefördert.
Dabei ist dort nicht die Revolution ausgebrochen: Nur in sieben Wochenstunden werden die Hochbegabten gesondert unterrichtet.
Das aber reicht. Wobei das wirkliche Wesentliche an dieser Schule mit Sicherheit nicht die gesonderten Unterrichtseinheiten sind, sondern das spezielle Klima, das hochbegabte Schüler in ihrer Eigenart respektiert und unterstützt.
Dass sie einfach ”sein dürfen”, was sie sind – vielleicht die wesentlichste Unterstützung, die man diesen Kindern geben kann. 

In den speziellen Unterrichtsstunden geht es nicht um eine vielleicht beliebige Vielfalt zusätzlicher Themen, sondern vor allem um Vertiefung des Unterrichtsstoffes (zusätzliche Versuche, kompliziertere Begründungszusammenhänge erforschen etc.). Das ist genau die richtige Vorgehensweise: Den Dingen auf den Grund zu gehen, ist ja meist eine der Lieblingsbeschäftigung von Hochbegabten.

“Antje Widmann, die Mutter der achtjährigen Ilka … berichtet von einem „langen Leidensweg“. Ihre Tochter sei an ihrer ursprünglichen Schule depressiv geworden, habe unter Mobbing und Schlafstörungen gelitten und keine sozialen Kontakte mehr gehabt. ‘Jetzt’, so Widmann, ‘freut sie sich auf die Schule und ist ein anderer Mensch.’ Die Mutter führt das auch darauf zurück, dass das Mädchen seine besondere Begabung nun ausleben kann, ohne von Mitschülern gehänselt oder von Lehrern ausgebremst zu werden. ‘Hier darf sie mit negativen Zahlen rechnen. Hier wird sie respektiert.’“

Das Geheimnis, warum die hochbegabten Kinder sich wohlfühlen: “Kein Kind muss sich mehr zurückhalten.”

Was mir bei diesem Modell besonders gefällt, ist Folgendes:
”Einen Eignungstest für die Jugendakademie führt die Kreuzerfeld-Grundschule vor der Aufnahme der Kinder nicht durch. Wie Schulleiterin Frauke Betz erklärt, baut die Schule auf die Beobachtungen von Eltern, Lehrer/innen und Erzieher/innen. Denn so genannte hochbegabte Kinder fallen oft auf durch sehr einseitige Begabungen, die mit Unterforderung, Langeweile, Konzentrationsschwächen und schlechten schulischen Leistungen gekoppelt sein können.”

Das zeigt, dass da wirklich etwas verstanden wurde: Nicht nur hochleistende Hochbegabte haben hier eine Chance auf Akzeptanz und Förderung, sondern vor allem auch die sog. Underachiever, die hochbegabten Minderleister. Diese erregen eher durch problematisches Verhalten Aufmerksamkeit und fallen häufig durch alle Raster der Hochbegabtenförderung, weil diese oft nur die publikumswirksamen Hochleister im Blick haben. Gerade bei den Underachievern ist es aber elementar wichtig, früh Unterstützung zu leisten, um ihnen eine in jeder Hinsicht positive Entwicklung zu ermöglichen.

In der Kreuzerfeld-Grundschule scheint man – gepaart mit dem entsprechenden pädagogischen Fachwissen über Hochbegabung – wirklich den “individuellen Blick” auf die Kinder zu haben.
Hut ab!

 

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