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Jahrmarkt der Eitelkeiten

Gestern war ich auf einem Fachkongress, der insgesamt drei Tage dauert. Ich bin dorthin gefahren, um den Infostand der DGhK dort aufzubauen und den ersten Tag über zu betreuen.

Dieser Kongress ist mittlerweile so etwas wie ein “Must” in der Szene – und so tummelt sich dort alles, was Rang oder vielleicht doch keinen Namen hat.

Nichts gegen Fachkongresse – zu welchem Thema auch immer. Was mich aber völlig abtörnt, ist das Getue auf einem solchen Kongress. Diese aufgeregte Wichtigkeit, dieses geschäftige Eilen. Dieses geräuschvolle Geraschel mit Papers aller Art. Dieses Bussi-Bussi-Getue – wenn ich mich auch selbst aufrichtig gefreut habe, einige Menschen dort wieder zu treffen, die ich Jahre nicht gesehen habe.
Ganz eklig finde ich dieses Szene-Gehabe, bei dem es fast wichtiger ist, ganz laut bei der Begrüßung kundzutun, dass man den jungen, netten In-Professor duzen darf, als tatsächlich seinen Worten zu lauschen.
Dazugehören, gesehen werden, wichtig sein.

Oft gibt es auch gar nichts Neues zu hören. Alles ist versammelt, was glaubt, etwas zum Thema zu sagen zu haben, z. T. seit Jahrzehnten.
“Ach, zu XY gehe ich heute nicht, den habe ich doch letztes Jahr erst gehört.” Solche Sätze vernimmt man nicht selten.
“Professor YZ ist doch nur hier, damit er wieder vor Publikum über seine eigenen Anekdoten lachen kann.”
Auch dies zu hören.
Leider ist es vermutlich so, dass man bei der Versammlung von so vielen “bewährten” Kapazitäten die wirklichen Perlen übersieht, die vielleicht tatsächlich Innovatives zu sagen haben und nicht nur ihre Ideen und Bücher von vor Jahren zitieren, die um eine ewig alte These kreisen.

Eigentlich hätte ich Gelegenheit gehabt, auch einige der Fachvorträge zu besuchen. Ich habe darauf verzichtet. Mir war irgendwann nicht mehr danach. Ich habe beobachtet, mich gefreut, mit alten Bekannten ein paar Worte zu wechseln, meine Arbeit getan.

Ich habe mir gestern mitten auf einem Fachkongress einen Tag “bildungsfrei” gegönnt.
Ganz schön arrogant, nicht wahr?

 

Goethe an Schiller und umgekehrt

Also, ich habe so einen großen Spaß daran, dass ich auf diesen ganz besonderen “Blog” aufmerksam machen möchte:

Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe

“Diese Site veröffentlicht den Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe aus den Jahren 1794 bis 1805 in Echtzeit, das heißt, die Briefe werden um 215 Jahre versetzt an dem Datum veröffentlicht, an dem sie geschrieben wurden. Beginn ist der 13. Juni 2009.”

Ein entsprechendes Buch hätte ich mir, obwohl ich halt auch Germanistin bin/war, wohl nie gekauft, aber so in Abständen von ein paar Tagen am Austausch der beiden Geistesgrößen Anteil zu haben, ist mir eine wirkliche Freude.

Vor allem bin ich überrascht von der vertrauten und vertrauensvollen Offenheit, in der Schiller und Goethe miteinander umgehen. Auch teilen sie sich in erstaunlicher Selbstwahrnehmung sehr differenziert ihre jeweiligen Stärken und Schwächen mit – und in anerkennender und schätzender Wahrnehmung des anderen auch dessen Vorzüge und Schwachstellen.

Ein Beispiel aus dem “heutigen” Brief von Schiller an Goethe auf dessen Einladung hin: 
“Mit Freuden nehme ich Ihre gütige Einladung nach W. an, doch mit der ernstlichen Bitte, daß Sie in keinem einzigen Stück Ihrer häuslichen Ordnung auf mich rechnen mögen, denn leider nöthigen mich meine Krämpfe gewöhnlich, den ganzen Morgen dem Schlaf zu widmen, weil sie mir des Nachts keine Ruhe lassen, und überhaupt wird es mir nie so gut, auch den Tag über auf eine bestimmte Stunde sicher zählen zu dürfen. Sie werden mir also erlauben, mich in Ihrem Hause als einen völlig Fremden zu betrachten, auf den nicht geachtet wird, und dadurch, daß ich mich ganz isolire, der Verlegenheit zu entgehen, jemand anders von meinem Befinden abhängen zu lassen. Die Ordnung, die jedem andern Menschen wohl macht, ist mein gefährlichster Feind, denn ich darf nur in einer bestimmten Zeit etwas Bestimmtes vornehmen müssen, so bin ich sicher, daß es mir nicht möglich seyn wird.
Entschuldigen Sie diese Präliminarien, die ich nothwendigerweise vorhergehen lassen mußte, um meine Existenz bei Ihnen auch nur möglich zu machen. Ich bitte bloß um die leidige Freiheit, bei Ihnen krank seyn zu dürfen.”

Ein wunderbarer Satz:
”Ich bitte bloß um die leidige Freiheit, bei Ihnen krank seyn zu dürfen.”

Wer traut sich denn heute noch, eine Einladung mit einer solchen “Zumutung” anzunehmen…

 

Früh gewöhne sich …

… am besten ein hochbegabtes Kind an Zurückweisungen.

Es sind oft die vordergründig unscheinbaren Sätze, die extrem brutal und schmerzhaft sind und einem Kind signalisieren, dass es “falsch” ist.
Sätze, die einem in ihrer schlichten Verständlichkeit den Atem rauben können, weil sie in einem Nichts nicht nur einen Kinderwunsch wegwischen – und damit das Kind, sondern zudem eine Haltung der Erziehenden ausdrücken, die verständlich macht, warum hochbegabte Kinder oft die Freude am Fragen und Lernen verlieren und manchmal so einsam sind.
Denn solche Sätze fallen millionenfach.
Jeden Tag.
Immer wieder.
Überall.

Im Vlothoer Anzeiger findet sich im Artikel Auffällig intelligent – hochbegabte Kinder ein solcher Satz, hier zitiert aus dem Mund einer Kinder-Gärtnerin:

“Wir haben leider nicht die Zeit, uns mit Ihrem Sohn Eiskristalle anzusehen.”

Nina braucht neue Pampers, Sven und Kevin streiten, Ahmed versteht gerade nur Bahnhof, Marie will ein Spiel erklärt, Carlo seine Gummistiefel, Klara etwas ausgeschnitten haben.

Alles kein Problem.

Aber:
“Wir haben leider nicht die Zeit, uns mit Ihrem Sohn Eiskristalle anzusehen.”

Noch Fragen?

 

Alles hat seine Zeit…

Es gibt sie wieder.

Ich habe sie gesehen.

Gestern.

Wirklich.

Alle wieder da.

Wie gut, dass in Deutschland alles so verlässlich pünktlich seinen Gang geht.

Frohes Weihnachtssüßigkeitenfuttern also – auf dass die Sachen allen im Dezember zu den Ohren herauswachsen mögen.

 

“Wir machen Schule schlau”

"Wir machen Schule schlau"
Begabung versus Schule – Schule versus Begabung
Begabungsfördernde Schule aus Schülersicht

Aufmerksam machen möchte ich auf einen Kongress, der ab dem 4.9. in Hamburg veranstaltet wird:

“Unter dem Motto "Wir machen Schule schlau" organisieren überdurchschnittlich begabte Schüler deshalb vom 4.- 6. September einen bundesweiten Kongress zum Thema "Begabung versus Schule? Schule versus Begabung?" auf dem Campus der Helmut-Schmidt-Universität. Mit Unterstützung des Hamburger Vereins Netzwerk Begabtenförderung diskutieren die Teilnehmer, darunter zahlreiche Fachleute, drei Tage unter anderem über die Chancen von Begabtenförderung, über begabungsfördernde Unterrichts- und Lernkonzepte und über Wege aus der Unterforderung. Abschließend soll ein bildungspolitischer Forderungskatalog präsentiert und auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion unter anderen mit Staatsrat Ulrich Vieluf debattiert werden. Die Teilnahme ist kostenlos.”

Das Hamburger Abendblatt weist auch auf die Internetseite des Kongresses hin: Netzwerk Begabtenförderung Hamburg.

 

Ziel von Bildung: Der wirtschaftlich verwertbare Mensch

Da gibt es wieder einmal einen Länder-Bildungsvergleich des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Dieser Vergleich sieht NWR wiederum weit unten auf der Liste: NRW bei Bildung weiter abgeschlagen.

Ehrlich gesagt: Bei den Kriterien, die dieses Institut für seinen Vergleich zugrunde legt, finde ich das sogar gut, dass NRW dort keinen Spitzenplatz belegt.

Worum geht es diesem Wirtschaftsinstitut. Man rate…. Genau!

“Kriterien wie Zeiteffizienz oder Förderstrukturen im Bildungssystem werden bewertet, ohne deren Qualität zu messen. „Wir fragen: In welcher Zeit es gelingt, einen arbeitsfähigen Abschluss zu bekommen”, so IW-Geschäftsführer Hans-Peter Klös. Arbeitsmarkteffekte und wirtschaftliche Verwertbarkeit stehen im Vordergrund.

WIRTSCHAFTLICHE VERWERTBARKEIT von Schülern – man lasse sich das Wort im Munde zergehen und lese vielleicht meinen vorletzten Blogbeitrag zur Würde des Menschen in Zeiten, in denen er nur noch als Wegwerfartikel der Wirtschaft eine Existenzberechtigung zu haben scheint.

Natürlich sollen Schüler durch unser Bildungssystem auch dazu befähigt werden, ihren Platz im konkreten (Berufs-) Leben finden und zur Zufriedenheit aller auszufüllen zu können. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Aber das ist doch nicht alles!

Wirtschaftliche Verwertbarkeit? So redet man von Altglas und Recyclingpapier, von Konsumgütern und technologischen Innovationen.

Aber von Schülern? Von Bildung?

Die Reduzierung von Bildung auf die Heranzucht von “wirtschaftlich verwertbaren” Menschen zeigt ein Menschenbild, über das nachzudenken mich in tiefe Depression stürzen könnte.

Eigentlich müsste ein Aufschrei durch diese Republik gehen.

Auch bei der Schweinezucht ist man natürlich darauf bedacht, in möglichst kürzester Zeit mit möglichst geringem Einsatz von möglichst wenig� Mitteln das beste Zuchtergebnis zu produzieren.

Deutschland, quo vadis?

 

Die Rücknahme von Projektionen

“If there is anything that we
wish to change in our child,
we should first examine it and
see whether it is not something
that could better be changed
in ourselves.”
 

                                                   C.G. Jung

 

Die Würde des Menschen …

… ist ???

Wir haben das Glück, in einem Land zu leben, in dem man sich frei bewegen kann und in dem man keine Angst vor willkürlicher Festnahme, Folter, politisch motiviertem Mord und anderen drastischen Menschenrechtsverletzungen haben muss.

Das ist sehr schön und beruhigend. Gut’ Nacht!

Die schlechte Nachricht ist, dass es auch sehr viel subtilere Formen der Menschenverachtung gibt als die oben genannten – und die werden immer populärer –  z. T. sogar mit politischer Unterstützung.

Was zählt denn schon noch ein Arbeitnehmer? Als Mensch doch wohl meist gar nichts mehr.

Dies sind nur die Berichte in der Süddeutschen Zeitung der letzten Zeit:

Der Mensch als Ware

Nur ein Leiharbeiter

Eingesetzt wie ein Tagelöhner

Arm trotz Arbeit

Und heute: Das System powert die Leute systematisch aus

Vor drei Jahren habe ich einmal einen Blog-Beitrag Prekariat geschrieben. Seitdem hat sich die Situation noch verschärft.

Die Degradierung des Menschen zu einem Wegwerfartikel der Wirtschaft sollte als Akt der Menschenrechtsverletzung anerkannt werden.

 

Die größte Gefahr für unsere Demokratie …

… liegt nicht in der Existenz rechts- oder linksextremer Parteien.

Die größte Gefahr für unsere Demokratie liegt darin, dass sie, so wie sie sich präsentiert, keiner mehr ernstnimmt und unendlich viele, auch sehr ernsthafte, engagierte Leute, die Schnauze einfach voll haben von Maßlosigkeit, Ahnungslosigkeit, hohlen Phrasen und Versprechungen und mangelnder Aufrichtigkeit und Authentizität.

Die Gegenbewegungen zum etablierten Jammerzirkus in diesem Wahljahr sind diesmal deswegen auch etwas derb und spaßorientiert. Das ist allerdings äußerst ernstzunehmen.

Die Piratenpartei ist in – das hat seinen Grund, und mein Instinkt sagt mir, dass da ein Same gelegt wird für etwas Neues – so wie damals auch die Grünen eine gewisse Zeit lang für ein bisschen Aufbruch und ein wenig mehr Spaß an der Demokratie gesorgt haben. Das ist aber mittlerweile leider auch schon Schnee von gestern. Die Piratenpartei wird wahrscheinlich diesmal noch keinen großen Erfolg haben, aber ich wittere dort etwas, das zukünftig vor allem junge Erwachsene und junggebliebene Reflektierte anziehen könnte, vor allem, wenn die Zeit nach der Wahl genutzt wird, ein umfassendes, eigenständiges Profil zu entwickeln.

Der beliebteste Kanzlerkandidat ist im Moment ohne Frage … Horst Schlämmer von der HPS. Natürlich macht Hape Kerkeling mit seiner unerträglich-liebenswerten Figur auch Werbung für seinen Film “Isch kandidiere” – aber er reißt vor allem mit vollen Händen die letale Wunde dieses elend müden Siechtum-Wahlkampfes bis zum Grund auf, in dem selbst radikalengagierte Parteifreaks jeder Couleur gegen narkoleptische oder gar komatöse Anfälle kämpfen müssen.

Die “Kandidatur” Horst Schlämmers bleibt nicht ohne Wirkung. Die Süddeutsche berichtet:
”Wäre die HSP zur Bundestagswahl am 27. September 2009 zugelassen, könnte sie nach jetzigem Stand glatt mit 18 Prozent der Wählerstimmen rechnen. Das hat nicht etwa das Satiremagazin Titanic ermittelt, sondern das Umfrageinstitut Forsa im Auftrag des Stern. Damit würde die Horst-Schlämmer-Partei besser abschneiden als die FDP, die Grünen und die Linkspartei. Und wäre auf Anhieb da, wo Westerwelle schon 2002 hin wollte.”

Grevenbroich wird Bundeshauptstadt!

Voil !

Die größte Gefahr für unsere Demokratie liegt nicht in der Existenz rechts- oder linksextremer Parteien.

 

Fragwürdige Karriere…

Im neuen Kreis-Volkshochschul-Programm von Darmstadt-Dieburg ist folgende Ankündigung zu finden:

Neben den gefragten Klassikern zu den Themen Hochbegabung, Legasthenie, Dyskalkulie und Vorbereitungskursen für werdende Eltern und Großeltern gehen verschiedene Veranstaltungen auf die kindliche Sprachentwicklung ein.”

Gefragter Klassiker!!!

Steht da wirklich!!!

Gefragter Klassiker!!!

Und ich weiß nicht: Soll ich lachen? Soll ich weinen?

 

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