Defizitorientiert
So scheinen sie mir wirklich zu sein, die Deutschen, in einer erdrückenden Mehrheit: Defizitorientiert.
Defizitorientierung als “Normalität”.
Jedes Problem, jedes Versagen wird verständnisvoll analysiert, kommentiert und mitleidvoll “mitgetragen” und einem vielschichtigen Therapie- und Hilfesystem zugeführt.
Wehe aber, ein Kind geht freundlich selbstbewusst einfach so durch diese (Schul-) Welt mit besten Noten, vielfältig interessiert, hochbegabt und mit angenehmen Umgangsformen. Solch ein Kind ist gefährdet, und man muss es dem Jugendamt melden (siehe hier).
Funktioniert ein hochbegabtes Kind aber nicht so glänzend, sondern auch mit Problemen, dann ist es auch wieder falsch, und man kann es höhnend durch’s Dorf treiben wie ein unerwünschtes Alien.
Denn mit oder ohne Schwierigkeiten: “Normal” ist ein hochbegabtes Kind nie – per definitionem!
Jüngstes Beispiel meiner Beratungsarbeit gestern: Der verzweifelte Brief einer Mutter, deren 7jährige Tochter jetzt einem Sonderschulverfahren zugeführt wird (schon eingeleitet). Dieses Mädchen sitzt mit einem getesteten IQ-Wert von über 140 in der ersten Klasse und weigert sich, mitzuarbeiten. Podolski beim Kicken mit Kleinkindern! Die Lehrer weigern sich, das Gutachten des Psychologen überhaupt auch nur zu lesen, geschweige denn, das Kind in irgendeiner Weise zu fördern und sei es zunächst nur, es schlicht eine Klasse höher zu setzen. Auch hier: Das Potenzial wird in einer durchaus sträflich zu nennende Ignoranz, ja Boshaftigkeit, ignoriert, das Kind, das mit seinem IQ-Wert zu weniger als 1% der Bevölkerung gehört, auf seine “Verhaltensauffälligkeit”, sein “Defizit”, reduziert und zum Fall für die Sonderschule abgestempelt. Auch eine Art von Missbrauch Schutzbefohlener und – auf eine bestimmte Art – Folter.
Den sympathischen Erfahrungsbericht einer anderen Familie findet man bei OPINIO, zur RP-Gruppe gehörend, unter dem Titel Seid doch froh! mit dem Untertitel: “Seid doch froh – diesen Satz hören wir immer wieder, wenn das Thema auf unsere jüngste Tochter kommt. Hochbegabung – ganz toll! ”
Fazit der Eltern: “Es ist einfach schade. das sich unsere Gesellschaft nur noch auf Defizite beschränkt. Hochbegabung ist nicht immer ein Segen und es ist nicht einfach, diesen Kindern den Weg zu zeigen, dass sie glücklich werden und nicht nur über ihr Wissen definiert werden. Sie sind ganz normale Kinder und als solche wollen sie auch behandelt werden.”