Archiv für die Kategorie Hochbegabung

Pressewirksam

Ein hochbegabtes zweijähriges Mädchen, Georgia Brown, in England mit Rekord-IQ eingetreten in die Hochbegabten-Organisation Mensa – das ist spektakulär und pressewirksam und befriedigt ein gewisses Sensationsbedürfnis.
Ein 12jähriger hochbegabter Junge, elendiglich zugrundegegangen in einer deutschen Realschule, hat Schwierigkeiten, überhaupt wahrgenommen zu werden.

So ist das nun mal.

Dass übrigens in England nur etwa 30 Kinder unter 10 Jahren bei Mensa Mitglied sind, liegt schlicht daran, dass die Zielgruppe dieser Hochbegabten-Organisation, auch in Deutschland, eher hochbegabte Erwachsene sind. Unterstützung für Eltern mit hochbegabten Kindern gibt es in der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK). Jugendliche finden Kontakt im Kubus.

 

Hier darf’s ein bisschen mehr sein

So etwas gibt es: eine Ganztagsschule für Hochbegabte.
In Kaiserslautern.
Näheres ist zu finden unter diesem Link.

 

Schicksal der Superhirne…

… betitelt die WELT einen Artikel über Hochbegabung.
Die Neigung, komplexe Zusammenhänge auf einen reißerischen Kurztitel zu reduzieren, ist zwar auch eine Begabung, aber für das Thema keine hilfreiche. Die WELT – als seriös auftretende Zeitung – sollte etwas differenzierter mit den Dingen umgehen können.

Immerhin werden in diesem Artikel auch Lebensläufe hochbegabter Erwachsener geschildet. Das Thema Hochbegabung ist, was Kinder angeht, mittlerweile durchaus eben das: Thema. Hochbegabte Erwachsene, die ihre Kindheit zu einer Zeit hatten, in der das Wort “Hochbegabung” leider mindestens so tabuisiert war wie die Syphilis, haben heute immer noch Schwierigkeiten, an Material zu diesem Thema zu kommen. Dabei ist es gerade auch für sie wichtig, zu ihrer Identiät zu finden – für sie selbst natürlich, aber auch für ihre Kinder, oft auch hochbegabt, mit denen sie klarer, verständnisvoller und konstruktiver umgehen könnten, wenn sie die Möglichkeit hätten, ihre eigene Hochbegabung zu erkennen, aufzuarbeiten und zu integrieren.

 

Auch Hochbegabte….

… sind nur Menschen.

Diese und andere Wahrheiten hochbegabte Kinder betreffend finden sich in einem Interview mit dem Hochbegabtenforscher Detlef H. Rost in der ZEIT.

 

Perfektionismus

Eine bei hochbegabten Kinder sehr häufig anzutreffende ganz typische Eigenschaft ist der Perfektionismus. Oft findet sich bei diesen Kindern in allen Dingen ein “Ganz oder Gar-nicht”, egal, ob es sich ums Basteln, um Sport, Musik oder wissenschaftliche Experimente handelt. Die Angst davor, nicht ein – in ihren Augen und nach ihren hohen Ansprüchen – absolut perfektes Ergebnis zu produzieren, lässt sie häufig von vorneherein auf eine Aktivität völlig verzichten. Oft vernichten hochbegabte Kinder auch durchaus gute Dinge und das in äußerst bösem Zorn, weil diese ihren überhöhten Ansprüchen nicht genügen.
Legendär ist das dreijährige Kind, das zur großen Sorge der Eltern, denen auch ratlose Ärzte nicht helfen konnten, noch nie ein einziges Wort gesprochen hatte. Eines Tages nun beim Abendessen ertönte aus dem Munde ebendieses Kindes klar und deutlich: “Wie lange soll ich noch warten? Könnte mir bitte endlich einmal jemand die Butter über den Tisch reichen!” Alle Anwesenden erstarrten verständlicherweise.

Bei Hochbegabung – aber natürlich nicht nur dort – kann Perfektionismus zur bösen Falle werden, weil die davon Betroffenen sich in vielen Dingen damit selbst im Wege stehen. Ob sich je ein Perfektionist von seinem Drang nach Vollkommenheit abbringen lassen wird, ist fraglich; ein paar gute Tipps dazu gibt’ immerhin und zwar hier.

 

Bindung und Bildung

“Am vergangenen Wochenende haben weltweit renommierte Bindungsforscher auf einem Kongress in der Universität Frankfurt auf die Notwendigkeit stabiler Bindungen als Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung von Kindern hingewiesen. Eines der Ergebnisse lautete: Bindung geht vor Bildung. Ohne Bindung, ohne emotionale Stabilität ist auch das Lernen-Können schwierig. Aber umgekehrt nutzt ohne Bildung auch die Bindung wenig. Angesichts der demografischen Entwicklung braucht man beides in erhöhtem Maße, denn die wenigen Kinder müssen, um Wohlstand und Produktivität halten zu können, lernfähiger und besser ausgebildet sein. Das ist nicht nur eine Frage der Bildungseinrichtungen wie Schule und Universität, sondern wegen der knappen Ressourcen auch eine Frage der Entdeckung und Förderung von überdurchschnittlich Lernfähigen, sprich von Hochbegabten.”

In einem Beitrag des Deutschlandradios, aus dem das obenstehende Zitat stammt, wird völlig zurecht auf die emotionale und soziale Komponente von Lernen und Entwicklung hingewiesen.

Peter Lex, der Ratsvorsitzende der Frankfurter Karg-Stiftung für Hochbegabtenförderung, sagte dort im Interview:
“Das ist genau der Ansatzpunkt unserer Stiftung. Die befasst sich damit, dass Hochbegabte nicht allein in ihrem Elfenbeinturm der eigenen Hochbegabung sitzen gelassen werden, sondern dass sie soziale Fähigkeiten entwickeln, dass sie also lernen, ihre Fähigkeiten der Hochbegabung auch der Gemeinschaft zukommen zu lassen. Die Allgemeinheit muss davon profitieren.”

Wie richtig und wie wichtig!

Und, es passt in diesen Zusammenhang: wieder hatte ich aktuell mit einem hochbegabten Kind zu tun, von dem ich nicht weiß, wie es soziale Kompetenz überhaupt lernen soll und kann, weil mit ihm selbst unmenschlich umgegangen wurde:
Der eigentlich ganz unkomplizierte Jungen ist, da seine Hochbegabung nicht früh genug erkannt wurde, auf der Realschule gelandet. Da man dort nichts mit ihm anfangen konnte, setzte man ihn einfach ganz nach hinten, an einen einsamen Tisch noch hinter die Klassen-U-Form, ganz allein, ganz isoliert. Und man kümmerte sich nicht, obwohl die Schulpsychologin irgendwann auf die Unterforderung explizit hinwies. Maßstab für individuelles Lernen sei der Klassenverband, wurde abwehrend gesagt. Selbst auf Bitten der Eltern hin wurde der Junge noch nicht einmal umgesetzt. Und jetzt soll er in der 6. Klasse mit etlichen Fünfen sitzenbleiben. Das würde dann Hauptschule für den Jungen bedeuten.

Es ist wichtig und richtig, von Hochbegabten zu erwarten, dass sie sich in der Gesellschaft sozial kompetent bewegen. Aber das Ganze ist ein Nehmen UND ein Geben. Traumatisierte Kinder werden leider schnell zu neurotischen Erwachsenen. Das ist nicht nur bei hochbegabten Kindern so. Deshalb ist es so unglaublich wichtig, Kinder, gerade auch hochbegabte Kinder, ernstzunehmen, wertzuschätzen, zu loben und zu fördern.
Wie heißt es so schön – simpel, aber ausdrucksstark: Von nichts kommt nichts, und man erntet, was man gesät hat.

 

Online-Handbuch zur Hochbegabung

Es gibt etwas Neues: ein Online-Handbuch zur Förderung hochbegabter Kinder in KiTas.
Das Handbuch wurde am letzten Wochenende in Königswinter auf der 4. IHVO-Fachkonferenz “Hochbegabtenförderung in Kindertagesstätten” vorgestellt.
Dabei handelt es sich nicht um ein abgeschlossenes Werk: das Handbuch ist auf Zuwachs ausgerichtet und wird immer weiter ergänzt werden.
Herausgeber/innen sind Hanna Vock, unter der Mitarbeit von Barbara Teeke und derTeilnehmerinnen und Teilnehmer der IHVO – Zertifikatskurse.

 

Hochbegabte Mädchen

Im Focus wird auf ein Phänomen aufmerksam gemacht, mit dem ich auch immer wieder konfrontiert werde: Jungen werden extrem häufiger in ihrer Hochbegabung entdeckt als Mädchen.

Zum allergrößten Teil liegt das daran, dass Jungen wirklich meist irgendwie verhaltensauffällig nach außen hin werden (Aggressivität, Klassenclown etc.), so dass man nicht mehr weggucken kann und etwas unternommen werden muss. Dabei wird Hochbegabung dann oft entdeckt.

Mädchen leiden in ganz vielen Fällen still vor sich hin, kapseln sich ab, passen sich an, basteln manchmal sogar bewusst Fehler in ihre Klassenarbeiten, um nicht als besonders gut aufzufallen, möchten ihre Freundinnen nicht verlieren. Sie werden oft eher ein wenig depressiv, leiden unter psychosomatischen Beschwerden wie Bauch- und/oder Kopfschmerzen, kauen Nägel etc.
Natürlich vermischen sich die Symptome von Mädchen und Jungen oft auch; in der Tendenz kommen Lehrer und Eltern jedoch sehr viel seltener auf die Idee, dass ein Mädchen hochbegabt sein könnte als es bei einem Jungen der Fall ist.
In vielen Fällen ist es so, dass eine Hochbegabung bei einem Mädchen erst dadurch entdeckt wird, dass ein auffälliger Bruder getestet wurde und der kluge testende Psychologe die Eltern motiviert, die Geschwister doch gleich mittesten zu lassen. Oft ist der gemessene IQ des eher zufällig getesteten unauffälligen Mädchens höher als der des auffälligen Jungen – und Eltern und Lehrer fallen aus allen Wolken….

 

Dies und das zur Hochbegabung

Hier gesammelt einige aktuelle Artikel zur Hochbegabung:

Die Kreativschule des Ehepaares Mehlhorn in Leipzig ist ein erfolgreiches Reformprojekt in Sachsen. Jetzt soll auch in Bayern, in Bayreuth, eine Schule nach dem erfolgreichen Konzept eröffnet werden.

Über Mensa wird anlässlich der Jahreshauptversammlung mehrfach berichtet.

Die Westfälische Rundschau bietet einen “Einführungsartikel“.

Über die Einsamkeit mancher Hochbegabter berichtet das Hamburger Abendblatt.

Optimistisches (das sich hoffentllich auch konkret auswirkt…) aus Hessen gibt es hier.

 

Hochbegabte Erwachsene

Immer wieder ist es zu erleben, dass Eltern, die Probleme mit ihren hochbegabten Kindern haben, diese Schwierigkeiten als besonders belastend erleben, wenn sie – vermutlich – selbst unerkannt hochbegabt sind. Kinder kommen halt nicht nach anderen Leuten, und dass es einen erblichen Faktor bei der Hochbegabung gibt, ist ja nun nicht abzustreiten. Gerade diese eventuell auch hochbegabten Eltern haben oft Probleme damit, die Hochbegabung ihrer Kinder zu erkennen und zu akzeptieren. Dasselbe gilt im Übrigen nicht selten auch für Eltern, die um ihre eigene Hochbegabung wissen. Vermutlich ist dieser Widerstand zumindest teilweise darin begründet, dass eigene belastende und schmerzhafte Erfahrungen in der Jugend dazu bewegen, alles, was mit irgendwelchen Besonderheiten zu tun hat, (unbewusst) auszublenden nach dem Motto “Nur nicht daran rühren!” und “Meinem Kind soll das erspart bleiben, was ich erlebt habe”. Gerade diese Eltern beteuern gerne immer wieder, sie wollten doch nur ein “normales” Kind und nichts weiter. Manchmal ist es in diesen Fällen nicht möglich, den Eltern eine einigermaßen fruchtbare Annäherung an das Thema “Hochbegabung” zu erleichtern. Für die betroffenen Kinder ist das natürlich besonders schwierig, denn sie haben es nicht nur mit der eigenen Problematik zu tun, sondern erleben auch noch mangelnde Akzeptanz seitens ihrer Eltern und leben manchmal zusätzlich deren eigene alte (Identitäts-) Problematik aus und weiter.

Das Phänomen der Hochbegabung bei Kindern ist mittlerweile anerkannt, und bei allem, was noch zu tun übrig bleibt, ist doch schon eine Menge geschehen, um diese Kinder in ihren Fähigkeiten zu erkennen und zu unterstützen. Bei erwachsenen Hochbegabten ist das noch nicht ausgeprägt der Fall. Das liegt zum Teil daran, dass bei Erwachsenen vieles schon verschüttet und zugedeckt ist und die auftretenden Symptome extrem unterschiedlich sind, so dass Hochbegabung als des “Pudels Kern” und Grund für viele bisher unverstandene Schwierigkeiten oft sehr schwer auszumachen ist. Auf die Idee, “einfach mal” einen Test zu machen, kommen die wenigsten.

Ich bin aufmerksam gemacht worden auf ein Buch, das meines Wissens nach das erste ist, das sich mit dem Thema der erwachsenen Hochbegabten auseinandersetzt: “Ganz normal hochbegabt – Leben als hochbegabter Erwachsener” von Andrea Brackmann. Hier finden sich dankenswerterweise unterschiedliche Ansätze und Anwege hin zum Thema, persönlich geprägt, mit vielen Beispielen und Lebensläufen. All das erleichtert den Zugang und bietet denen eine Hilfe, die sich erst einmal vorsichtig an das Thema Hochbegabung annähern müssen. Auch Anlaufstellen, es sind noch nicht viele, sind im Anhang genannt, z.B. Mensa und Hochbegabte Erwachsene. Für ältere Jugendliche gibt es zudem den Kubus, der mit der “Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind” (DGhK) kooperiert, und die Storming Brains.

Es bleibt zu hoffen, dass immer mehr hochbegabte Erwachsene sich selbst auf die Spur kommen. Das ist wichtig für sie selbst natürlich, aber auch für ihre Kinder: Die eigene gelungene Identitätsfindung ist für Eltern eine elementare Voraussetzung dafür, einen klaren, unverstellten Blick auf ihre Kinder und deren Besonderheiten haben zu können.