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Bindung und Bildung

“Am vergangenen Wochenende haben weltweit renommierte Bindungsforscher auf einem Kongress in der Universität Frankfurt auf die Notwendigkeit stabiler Bindungen als Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung von Kindern hingewiesen. Eines der Ergebnisse lautete: Bindung geht vor Bildung. Ohne Bindung, ohne emotionale Stabilität ist auch das Lernen-Können schwierig. Aber umgekehrt nutzt ohne Bildung auch die Bindung wenig. Angesichts der demografischen Entwicklung braucht man beides in erhöhtem Maße, denn die wenigen Kinder müssen, um Wohlstand und Produktivität halten zu können, lernfähiger und besser ausgebildet sein. Das ist nicht nur eine Frage der Bildungseinrichtungen wie Schule und Universität, sondern wegen der knappen Ressourcen auch eine Frage der Entdeckung und Förderung von überdurchschnittlich Lernfähigen, sprich von Hochbegabten.”

In einem Beitrag des Deutschlandradios, aus dem das obenstehende Zitat stammt, wird völlig zurecht auf die emotionale und soziale Komponente von Lernen und Entwicklung hingewiesen.

Peter Lex, der Ratsvorsitzende der Frankfurter Karg-Stiftung für Hochbegabtenförderung, sagte dort im Interview:
“Das ist genau der Ansatzpunkt unserer Stiftung. Die befasst sich damit, dass Hochbegabte nicht allein in ihrem Elfenbeinturm der eigenen Hochbegabung sitzen gelassen werden, sondern dass sie soziale Fähigkeiten entwickeln, dass sie also lernen, ihre Fähigkeiten der Hochbegabung auch der Gemeinschaft zukommen zu lassen. Die Allgemeinheit muss davon profitieren.”

Wie richtig und wie wichtig!

Und, es passt in diesen Zusammenhang: wieder hatte ich aktuell mit einem hochbegabten Kind zu tun, von dem ich nicht weiß, wie es soziale Kompetenz überhaupt lernen soll und kann, weil mit ihm selbst unmenschlich umgegangen wurde:
Der eigentlich ganz unkomplizierte Jungen ist, da seine Hochbegabung nicht früh genug erkannt wurde, auf der Realschule gelandet. Da man dort nichts mit ihm anfangen konnte, setzte man ihn einfach ganz nach hinten, an einen einsamen Tisch noch hinter die Klassen-U-Form, ganz allein, ganz isoliert. Und man kümmerte sich nicht, obwohl die Schulpsychologin irgendwann auf die Unterforderung explizit hinwies. Maßstab für individuelles Lernen sei der Klassenverband, wurde abwehrend gesagt. Selbst auf Bitten der Eltern hin wurde der Junge noch nicht einmal umgesetzt. Und jetzt soll er in der 6. Klasse mit etlichen Fünfen sitzenbleiben. Das würde dann Hauptschule für den Jungen bedeuten.

Es ist wichtig und richtig, von Hochbegabten zu erwarten, dass sie sich in der Gesellschaft sozial kompetent bewegen. Aber das Ganze ist ein Nehmen UND ein Geben. Traumatisierte Kinder werden leider schnell zu neurotischen Erwachsenen. Das ist nicht nur bei hochbegabten Kindern so. Deshalb ist es so unglaublich wichtig, Kinder, gerade auch hochbegabte Kinder, ernstzunehmen, wertzuschätzen, zu loben und zu fördern.
Wie heißt es so schön – simpel, aber ausdrucksstark: Von nichts kommt nichts, und man erntet, was man gesät hat.

 

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