Die fatale Macht der Tränen
“Tränen lügen nicht” – so heißt es in einer deutschen Schlagerschmonzette aus den Siebzigern.
Lügen sie wirklich nicht?
Als eher rational veranlagter Mensch, der aber durchaus sehr aufmerksam und bereit seinen Gefühlshaushalt zu seinem Recht kommen lässt, bin ich eher jemand, der auch in Konfliktsituationen, die mich persönlich sehr betroffen machen und bewegen, versucht, die Dinge fair in einer vernünftigen Streitkultur zu regeln. Es bringt mich auf die Palme, wenn ein “Gegenüber” dem Ganzen ausweicht, indem er schluchzt und weint und sich ganz aufgelöst gibt.
Egal, ob so jemand dann im Recht oder Unrecht ist: die Umgebung neigt, wie der Affe automatisch nach der Banane greift, konsequent und fast immer dazu, sich auf die Seite des Weinenden zu schlagen – und denjenigen, der versucht, fair zu sein und Ruhe in den Konflikt zu bringen, obwohl er selbst betroffen und aufgewühlt ist, als emotional kalt abzuwerten.
Völlig irrational das Ganze.
Tränen haben eine ungeheure Macht – und die Mitmenschen identifizieren sich schnell und gerne mit einer ja so schrecklich leidend Weinenden.
Und das meist jenseits aller Argumente.
Gerade Frauen, und ich entschuldige mich da nicht bei meinen Geschlechtsgenossinen, spielen diesen Mechanismus oft und gerne aus – sehr häufig unbewusst.
Auch anderen Frauen gegenüber.
Gegen Tränen anzukommen, ist eine fast aussichtslose Angelegenheit.
Und ich bin mir sicher: Oft sind Tränen nicht Ausdruck einer wirklichen emotionalen Bewegung, sondern einfach ein Reflex, basieren auf einem simplen Reiz-Reaktions-Schema und sind – wie bewusst oder unbewusst auch immer – Flucht- und Machtmittel.
Mit Begeisterung las ich einen Bericht der Süddeutschen Zeitung: Der falsche Eindruck vom emotionalen Ausdruck.