Archiv für den August, 2009

Ziel von Bildung: Der wirtschaftlich verwertbare Mensch

Da gibt es wieder einmal einen Länder-Bildungsvergleich des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Dieser Vergleich sieht NWR wiederum weit unten auf der Liste: NRW bei Bildung weiter abgeschlagen.

Ehrlich gesagt: Bei den Kriterien, die dieses Institut für seinen Vergleich zugrunde legt, finde ich das sogar gut, dass NRW dort keinen Spitzenplatz belegt.

Worum geht es diesem Wirtschaftsinstitut. Man rate…. Genau!

“Kriterien wie Zeiteffizienz oder Förderstrukturen im Bildungssystem werden bewertet, ohne deren Qualität zu messen. „Wir fragen: In welcher Zeit es gelingt, einen arbeitsfähigen Abschluss zu bekommen”, so IW-Geschäftsführer Hans-Peter Klös. Arbeitsmarkteffekte und wirtschaftliche Verwertbarkeit stehen im Vordergrund.

WIRTSCHAFTLICHE VERWERTBARKEIT von Schülern – man lasse sich das Wort im Munde zergehen und lese vielleicht meinen vorletzten Blogbeitrag zur Würde des Menschen in Zeiten, in denen er nur noch als Wegwerfartikel der Wirtschaft eine Existenzberechtigung zu haben scheint.

Natürlich sollen Schüler durch unser Bildungssystem auch dazu befähigt werden, ihren Platz im konkreten (Berufs-) Leben finden und zur Zufriedenheit aller auszufüllen zu können. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Aber das ist doch nicht alles!

Wirtschaftliche Verwertbarkeit? So redet man von Altglas und Recyclingpapier, von Konsumgütern und technologischen Innovationen.

Aber von Schülern? Von Bildung?

Die Reduzierung von Bildung auf die Heranzucht von “wirtschaftlich verwertbaren” Menschen zeigt ein Menschenbild, über das nachzudenken mich in tiefe Depression stürzen könnte.

Eigentlich müsste ein Aufschrei durch diese Republik gehen.

Auch bei der Schweinezucht ist man natürlich darauf bedacht, in möglichst kürzester Zeit mit möglichst geringem Einsatz von möglichst wenig� Mitteln das beste Zuchtergebnis zu produzieren.

Deutschland, quo vadis?

 

Die Rücknahme von Projektionen

“If there is anything that we
wish to change in our child,
we should first examine it and
see whether it is not something
that could better be changed
in ourselves.”
 

                                                   C.G. Jung

 

Die Würde des Menschen …

… ist ???

Wir haben das Glück, in einem Land zu leben, in dem man sich frei bewegen kann und in dem man keine Angst vor willkürlicher Festnahme, Folter, politisch motiviertem Mord und anderen drastischen Menschenrechtsverletzungen haben muss.

Das ist sehr schön und beruhigend. Gut’ Nacht!

Die schlechte Nachricht ist, dass es auch sehr viel subtilere Formen der Menschenverachtung gibt als die oben genannten – und die werden immer populärer –  z. T. sogar mit politischer Unterstützung.

Was zählt denn schon noch ein Arbeitnehmer? Als Mensch doch wohl meist gar nichts mehr.

Dies sind nur die Berichte in der Süddeutschen Zeitung der letzten Zeit:

Der Mensch als Ware

Nur ein Leiharbeiter

Eingesetzt wie ein Tagelöhner

Arm trotz Arbeit

Und heute: Das System powert die Leute systematisch aus

Vor drei Jahren habe ich einmal einen Blog-Beitrag Prekariat geschrieben. Seitdem hat sich die Situation noch verschärft.

Die Degradierung des Menschen zu einem Wegwerfartikel der Wirtschaft sollte als Akt der Menschenrechtsverletzung anerkannt werden.

 

Die größte Gefahr für unsere Demokratie …

… liegt nicht in der Existenz rechts- oder linksextremer Parteien.

Die größte Gefahr für unsere Demokratie liegt darin, dass sie, so wie sie sich präsentiert, keiner mehr ernstnimmt und unendlich viele, auch sehr ernsthafte, engagierte Leute, die Schnauze einfach voll haben von Maßlosigkeit, Ahnungslosigkeit, hohlen Phrasen und Versprechungen und mangelnder Aufrichtigkeit und Authentizität.

Die Gegenbewegungen zum etablierten Jammerzirkus in diesem Wahljahr sind diesmal deswegen auch etwas derb und spaßorientiert. Das ist allerdings äußerst ernstzunehmen.

Die Piratenpartei ist in – das hat seinen Grund, und mein Instinkt sagt mir, dass da ein Same gelegt wird für etwas Neues – so wie damals auch die Grünen eine gewisse Zeit lang für ein bisschen Aufbruch und ein wenig mehr Spaß an der Demokratie gesorgt haben. Das ist aber mittlerweile leider auch schon Schnee von gestern. Die Piratenpartei wird wahrscheinlich diesmal noch keinen großen Erfolg haben, aber ich wittere dort etwas, das zukünftig vor allem junge Erwachsene und junggebliebene Reflektierte anziehen könnte, vor allem, wenn die Zeit nach der Wahl genutzt wird, ein umfassendes, eigenständiges Profil zu entwickeln.

Der beliebteste Kanzlerkandidat ist im Moment ohne Frage … Horst Schlämmer von der HPS. Natürlich macht Hape Kerkeling mit seiner unerträglich-liebenswerten Figur auch Werbung für seinen Film “Isch kandidiere” – aber er reißt vor allem mit vollen Händen die letale Wunde dieses elend müden Siechtum-Wahlkampfes bis zum Grund auf, in dem selbst radikalengagierte Parteifreaks jeder Couleur gegen narkoleptische oder gar komatöse Anfälle kämpfen müssen.

Die “Kandidatur” Horst Schlämmers bleibt nicht ohne Wirkung. Die Süddeutsche berichtet:
”Wäre die HSP zur Bundestagswahl am 27. September 2009 zugelassen, könnte sie nach jetzigem Stand glatt mit 18 Prozent der Wählerstimmen rechnen. Das hat nicht etwa das Satiremagazin Titanic ermittelt, sondern das Umfrageinstitut Forsa im Auftrag des Stern. Damit würde die Horst-Schlämmer-Partei besser abschneiden als die FDP, die Grünen und die Linkspartei. Und wäre auf Anhieb da, wo Westerwelle schon 2002 hin wollte.”

Grevenbroich wird Bundeshauptstadt!

Voil !

Die größte Gefahr für unsere Demokratie liegt nicht in der Existenz rechts- oder linksextremer Parteien.

 

Fragwürdige Karriere…

Im neuen Kreis-Volkshochschul-Programm von Darmstadt-Dieburg ist folgende Ankündigung zu finden:

Neben den gefragten Klassikern zu den Themen Hochbegabung, Legasthenie, Dyskalkulie und Vorbereitungskursen für werdende Eltern und Großeltern gehen verschiedene Veranstaltungen auf die kindliche Sprachentwicklung ein.”

Gefragter Klassiker!!!

Steht da wirklich!!!

Gefragter Klassiker!!!

Und ich weiß nicht: Soll ich lachen? Soll ich weinen?

 

Der Verlust der Intuition bei der Erziehung und die Folgen

Gar nicht mal schlecht, der Artikel auf Spiegel Online – Schulspiegel:

ERZIEHUNGSZWISCHENRUF
Eltern, fürchtet euch nicht!

Ausschnitt:
”Allen gemeinsam ist klar, dass moderne Kindheit ein reines Desaster sein kann: Gefahren und seelische Verirrungen lauern schon im Kindergarten, Kinder mutieren bei geringsten Erziehungsfehlern zu Schlägern und Tyrannen, mobben wie wild oder haben Leseschwächen. Das alles prasselt auf die jungen Eltern ein, wie gebannt starren sie auf die pädagogischen Informationen und Debatten. Und fürchten sich. … Das Problem: Unter dem ewig besorgten Blick geht den Eltern ihre Intuition für das Kind verloren. … Dabei sind Kinder ganz auf einen sicheren und sichernden Kontakt zu den wichtigsten Menschen, Mutter und Vater, angewiesen. Erst deren bestätigender Blick auf ein Türmchen aus Bauklötzen oder ein anderes kindliches Kunstwerk verankert das unendlich plastische Erkunden und Erkennen verlässlich in der kindlichen Psyche. Wir wissen das heute aus der analytischen Entwicklungspsychologie wie in erstaunlicher Übereinstimmung ebenso aus der fortgeschrittenen Gehirnforschung. Der Mangel an elterlicher Souveränität und bestimmender Sicherheit behindert die Entfaltung von Körpergefühl, Sprache und Selbstbewusstsein und macht die Kleinen unruhig und lustlos.”

Der Artikel ist sehr umfangreich, aber – zumindest in NRW: Es sind ja noch Ferien.