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Zwischen Wollen und Können fließt der Mississippi

Es ist mittlerweile keine Seltenheit mehr, in Schulprofilen großmundige Ankündigungen zu finden, was die “individuelle Förderung” (ich kann’s bald nicht mehr hören) Hochbegabter angeht. Das Bild, das Schulen von sich zeichnen, kann dann hier und da schon äußerst attraktiv auf Eltern hochbegabter Kinder wirken.

Eltern, die dann in der Hoffnung, dort die richtige Schule für ihr Kind zu finden, eine dieser Schulen wählen, geraten jedoch nicht selten in eine Atmosphäre des blanken Unverständnisses dem Kind und seiner Hochbegabung gegenüber. Profilieren will man sich oft gerne mit Hochbegabung – das heißt aber noch lange nicht, dass an diesen Schulen überhaupt irgendjemand tatsächlich Ahnung vom Thema hat.

Es ist eben nicht dasselbe, mal eben einen schönen Extra-Kurs für einen freundlichen hochbegabten Hochleister anzubieten, mit dem sich die Schule auch noch nett brüsten und profilieren kann, oder aber es mit einem sperrigen Minderleister zu tun zu haben, dem man seinen hohen IQ-Wert niemals zutrauen würde, oder einen intellektuellen Nimmersatt in der Klasse zu haben, der mit seinem Wissensdurst jeden Unterricht sprengt. Damit muss man erst mal umgehen wollen und können.
Vielen Schulen ist das zunehmend zu mühsam.

Hier die Erfahrung, die eine Familie mit solch einer Schule gemacht hat:


Eine kleine Geschichte am Rande der Gesellschaft

Es war im November Anno 2008, als das Kind den Schulbesuch in einer alten Hansestadt aufnahm. Nachdem noch im Vorfeld seine bisherige schulische Karriere erörtert wurde, stand für alle Beteiligten fest:

„Hochbegabte sind an unserer Schule selbstverständlich willkommen.“

Also los, der Schulalltag sollte beginnen, frei nach dem Motto: Wir betreiben Hochbegabtenförderung und -integration – mit persönlicher Empfehlung aus der Bezirksregierung. Es verging einige Zeit mit kleinen und großen Fragezeichen, bis endlich das Programm der Förderung begann. Alle waren sehr gespannt. Das Kind sowie die Eltern wurden zuvor noch einmal daran erinnert:

„Du sollst immer das Gefühl haben, dass du bei uns willkommen bist.“

Die nach nur 4 Monaten aufgenommenen, gemäß Schulgesetz individuell auf den Schüler abgestimmten, Förderaktivitäten waren logisch aufeinander aufgebaut, sachlich formuliert und innerhalb von 4 Wochen erledigt:

1. Klassenkonferenz unter Ausschluss des Schulpädagogen und der Eltern
2. schriftlicher Verweis gemäß § xxx Schulgesetz
3. Suspendierung vom Schulunterricht
4. Ausschluss von der anstehenden Klassenfahrt nach gleichzeitiger Verteilung der
Unterlagen zur Klassenfahrt an den Schüler.

Huch, was war das? Nun gut, sicher kennen Sie das pädagogisch gut durchdachte Konzept "Pro Lehrer" noch nicht. Also hier noch einmal zusammengefasst:

„Du bist hier mit deiner Begabung willkommen, und um dir das auch in aller  Deutlichkeit zu beweisen, bleib doch erst einmal da wo du bist: zu Hause.“

Sollte der geneigte Leser nun die pädagogisch konstruktiven Parallelen zwischen Zusage und Umsetzung noch immer nicht erkennen – vielleicht liegt es daran, dass er sich einfach nicht im gleichen ‚Prozentrang’ der Intelligenzskala befindet wie die erfahrenen Pädagogen dieses Instituts.

Annette Block-Parrino

 

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