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Eltern unter Druck

Laut einer neuen Studie fühlen sich Eltern vermehrt unter Druck.
Selbst wenn Hilfen existieren, schaffen es Eltern kaum mehr, alles unter einen Hut zu bekommen:

Beide Elternteile sollen/müssen berufstätig sein – bei den aktuellen Verschärfungen in der Sozialgesetzgebung müssen Frauen das mittlerweile zwangsläufig, um nicht völlig zu verarmen, wenn Ehe in die Brüche geht – dann sollen möglichst viele Kinder her mit allem Drum und Dran, ein Haushalt will aufrechterhalten sein, häufig muss sich auch noch um pflegebedürftige Eltern gekümmert werden und ein gewisses soziales Leben mit gelegentlichen Freundesbesuchen sollte auch sein, um nicht in Isolation zu geraten.

Selbst bei Ganztagskindergärten und -schulen – und das ist der günstigste Fall –  gibt es immer noch eine Unzahl von Terminen allein rund um die Kinder, die bei einer Berufstätigkeit beider Eltern kaum zu schultern sind: Kieferorthopäde, Theateraufführungen, Nachhilfe, Sportverein der Kinder und entsprechende Wettbewerbe, Elternsprechtage, Ausflüge, Bastelnachmittage, Musikunterricht.

Schon Krankheiten wie eine Bagatellerkältung stürzen einen minutiös geplanten Tag ins Chaos.

Und immer ist das Gefühl da, es nicht zu schaffen, zu wenig zu tun, verbunden mit dem Schuldgefühl, das wirklich Wichtige, auch bei den Kindern, zu verpassen.

Hamster im Rad.

Dazu kommt, dass von beruflicher “Erfüllung” oft nicht die Rede sein kann: Stress, Zeitmangel, unbefriedigende Arbeitsbedingungen, Versagensängste, Unsicherheit des Arbeitsplatzes und die Angst vor dem sozialen Abstieg (siehe Interview in der Westfälischen Rundschau) belasten häufig zusätzlich.

Eine ständige Überlastung ist die Folge – und gerade die wesentlichen Dinge fallen einfach weg: Begleitung der Kinder in klärenden und hilfestellenden Gesprächen, Ausbildung einer Familienatmoshäre, in der man sich wohlfühlen kann, Muße zum Spiel, zum Zuhören, zum Einfach-Da-Sein.

Einfach da sein zu können – ein unerreichbarer Luxus. Unerreichbarer als der Kauf des nächsten neuen Autos.

Eine emotionale Verarmung bis hin zur Verwahrlosung der Kinder ist die Folge, selbst auch schon in Mittelschicht- und Oberschichtfamilien. Eltern in ihrer Erschöpfung werden oft gleichgültig oder in falscher Weise sich in Ersatzhandlungen verlierend überfürsorglich.

Überall fehlt das “menschliche Maß”.

Bei all dem werden die Familien ja nicht “reicher” durch die anhaltenden Teuerungen auf allen Gebieten: Finanzieller Wohlstand nimmt ab in vielen Schichten, trotz der Doppelverdiener, und der persönliche, ideelle, innere Reichtum, ein Sinnerleben, kann sich erst gar nicht bilden, weil keine Zeit für Ruhe und Reifung bleibt. Alles wird immer mehr verlagert ins materiell Fassbare. Welch ungeheure Reduzierung von Lebensmöglichkeit und Lebensqualität.
 
All das ist vor allem für die Kinder tragisch; es gibt immer weniger Vorbilder und kaum wirkliche Geborgenheit, weil auch Eltern oft nur noch damit beschäftigt sind, irgendwie über die Runden zu kommen.

Ist das wirklich das, was wir wollen?
Soll Leben so aussehen?
Macht das  – auch gesellschaftlich gesehen – irgendeinen Sinn?

Wer profitiert eigentlich davon?

 

42 Kommentare zu “Eltern unter Druck”

  1. Speybridge » Blog Archive » Gleichberechtigung? schrieb am 20. April 2008 um 12:12: 

    […] kann – und welche Fallen auf dem Weg lauern, lässt mich schon eine ganze Weile nicht los (hier und hier und […]