Archiv für den Januar, 2007

Voll normal

Es gibt Worte, die mir unbehaglich sind, ja Furcht einflößen. Eines dieser Worte ist “normal”.
“Das ist doch nicht normal!” oder gar “Der/Die ist ja nicht normal!”, “Es ist nicht normal, dies und jenes zu tun/zu lassen!” etc.

Wertung und Abwertung liegen bei diesem Wort nahe beieinander, und Volkesstimme ist oft ganz schnell dabei, die Keule “Normalität” als Waffe gegen nicht verstandene, andersartige Menschen und Verhaltensweisen einzusetzen.

So kommt es, dass auch Hochbegabte häufiger als “nicht normal” beschimpft und ausgegrenzt werden.

Aktuell wieder erschreckt hat mich dieses Wort heute im Zusammenhang mit der Diskussion über Dieter Bohlen und seine Pöbeleien in der neuen Staffel von “Deutschland sucht den Superstar”.
Es hat mich sogar tief erschreckt.

Die Kommission für Jugendmedienschutz beobachtet die Sendung jetzt wegen der unsäglichen und menschenverachtenden Bemerkungen, die Bohlen in der Sendung absondert.
Tief unter der Gürtellinie” kommentiert die WAZ heute.

Als ich heute, völlig unabhängig voneinander, ein Mädchen, 15, und einen Jungen, 16, nach Bohlen’s pöbelnd-verachtenden Bemerkungen fragte, bekam ich beide Male dieselbe Antwort: “Wieso?! Ist doch normal!”

Das also ist normal!

Das Schlimme ist, dass die täglichen, sich ständig in immer reißerischer inszenierten menschlichen Grenzbereichen bewegenden Talk- und Gerichtsshows, all die Daily Soaps, viele, viele schrecklich niveaulos albernen Comedy-Sendungen und Menschen wie Stefan Raab, Dieter Bohlen etc. es geschafft haben, das Lebens- und Wertegefühl in Deutschland zu verändern.

Eine Gesellschaft, in der die Art der präpubertären Kommunikation und des menschenverachtenden Verhaltens eines Dieter Bohlen zunehmend als “normal” befunden wird, und eine Jugendgeneration, die diese Pöbeleien entsprechend selbst auf dem Schulhof praktiziert, geben nicht zu großer Hoffnung Anlass.

Welche Konsequenzen wird ein solcher Niveau- und Werteverlust, der noch nicht einmal mehr als solcher erlebt wird, in der Zukunft haben? Wie wird er das Menschenbild und unsere Lebenswelt prägen?

Manchmal befürchte ich, immer mehr Menschen kommen sich mit und mit selbst abhanden.

Wenn das so sein sollte – wie wird dann unsere “Normalität” aussehen?

 

Ratlos

Letzte Woche hatte ich Kontakt mit der Mutter eines hochbegabten 9-jährigen Mädchens, Leonie.

Leonie, viertes Schuljahr, hatte einen Klassenaufsatz zurückbekommen mit einer nur mäßigen Note.
Das alleine wäre nichts Besonderes.
Eine spezielle “Note” bekommt diese Situation allerdings durch den Begleitkommentar der Lehrerin:
“Dein Aufsatz ist zu erwachsen, Leonie. Schreib nächstens wieder deinem Alter entsprechend! Dann wird deine Note auch wieder besser.”

Versetze ich mich in diesem Moment in Leonie hinein, dann ist da nichts außer einem jähen inneren Verstummen, Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und dem schrecklich traurigen Gefühl, nicht verstanden zu werden, sondern mit diesem Aufsatz auch als Person zurückgewiesen und abgelehnt zu werden.

Ablehnung ihres So-Seins – das ist es, was hochbegabte Kinder oft erleben.

Hochbegabung als persönlicher Makel.

Was soll Leonie tun beim nächsten Aufsatz, beim nächsten mündlichen Beitrag?

 

Gutachten

Am Freitag wird es nach der neuen Schulordnung in NRW zum erstenmal verbindliche Gutachten für den Übergang auf eine weiterführende Schule geben.

Das bedeutet, dass die Grundschullehrer eine Empfehlung abgeben – und diese ist dann verbindlich! Da gibt’s keine Diskussion. Dabei ist eine eingeschränkte Zweitempfehlung möglich, also in der Art: “Empfehlung Hauptschule, mit Einschränkung Realschule”. Diese Zweitempfehlung, die etwas mehr Luft nach oben ließe, liegt aber im Ermessen der Lehrer.

Es ist also ab jetzt mehr so, dass die Eltern das letzte Wort bei der Wahl der Art der weiterführenden Schule für ihre Kinder haben.

Bei Unstimmigkeiten wird es dann so sein, dass ein Probeunterricht von drei Tagen für das Kind (“Prognoseunterricht”) an der gewünschten Schulform beantragt und durchgeführt werden muss und ein dreiköpfiges Gremium dann entscheidet, ob das Kind für diese Art der weiterführenden Schule geeignet ist. Die Entscheidung dieses Gremiums ist dann das letzte Wort in dieser Angelegenheit.

Um zunächst das Positive an dieser Art von verbindlichem Gutachten herauszustellen:
Gewinner dieser Entscheidungsverlagerung auf die Lehrer beim Übergang in die weiterführenden Schulen könnten vor allem Mädchen mit Migrationshintergrund sein, vor allem islamisch geprägte Mädchen. Diese Mädchen drohen z.T. heute immer noch standardmäßig in einer Schulform zu landen, die unter ihren Möglichkeiten liegt, weil die Eltern sich für ihre Mädchen nichts anderes vorstellen können – unabhängig von ihren Fähigkeiten. Das wird so nicht mehr möglich sein.
Manche Schüler, für die das von den Eltern her nicht vorgesehen war, werden also von diesem verbindlichen Gutachten profitieren und eine Chance bekommen, das Gymnasium zu besuchen.

Es gibt natürlich auch eine Kehrseite dieser ab jetzt verbindlichen Grundschulgutachten – und hochbegabte Schüler könnten in negativer Weise von der neuen Regelung betroffen sein:

Hochbegabte Kinder, die jahrelang durch ständige Unterforderung demotiviert den Unterricht mehr oder weniger ertragen, ohne besondere Leistungen zu zeigen, verträumt aus dem Fenster schauen oder auch die Teilnahme am Klassengeschehen boykottieren und stören, könnten Gefahr laufen, nur eine Empfehlung für die Real- oder gar Hauptschule zu bekommen.
Falls diese Entscheidung nicht noch geändert wird, so kann das oft eine ziemliche Katastrophe bedeuten, da auch weiterhin mit sich in der falschen Schulform sogar verschärfender Unterforderung der besagten Schüler gerechnet werden muss. Bei Hochbegabung die Haupt-, Real- und z.T. auch die Gesamtschule besuchen zu müssen, bedeutet in den meisten Fällen eine fatal falsche Weichenstellung: Der Teufelskreis von Unterforderung und falschen Entscheidungen kann unter Umständen zum kompletten Schulversagen der Hochbegabten führen, oft kombiniert mit sozialen Auffälligkeiten, gravierenden psychischen Problen etc.

Man muss die Entwicklung diese Gutachten betreffend genau beobachten. Es wird schon gemunkelt, dass es in absehbarer Zeit viele juristische Auseinandersetzungen in dieser Sache geben wird.

Viel wird davon abhängen, ob Lehrer tatsächlich in der Lage sind, ihre
Schüler kompetent, klar und individuell in ihrer Eigenart wahrzunehmen;
ihre Prognosen und Entscheidungen sind für die Kinder wichtig und zukunftsentscheidend.
Die Gutachten sollten zutreffen.

 

Macht-Entzug

Über die Unfähigkeit von Politikern, sich von der Droge Macht zu lösen, über die Falle der tragischen Verwechslung von Person und Amt und die Gefahr der Verblendung – ein Kommentar der WAZ über das “Beispiel Stoiber“.

 

Zurück in die Zukunft – Kopfnoten

Nun wird es also in NRW laut der neuen Ausbildungsordnung für die Sekundarstufe 1 ab dem nächsten Schuljahr wieder Kopfnoten geben – und zwar gleich sechs Stück!

Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit/Sorgfalt, Verantwortungsbereit- schaft, Selbstständigkeit, Konfliktverhalten und Kooperationsfähigkeit werden dann also zweimal im Jahr pro Schüler mit einer Note (sehr gut, gut, befriedigend, unbefriedigend) bewertet.

Diese in höchstem Maße zweifelhafte “Neuerung” ist an sich schon extrem kritisch zu bewerten. Bei Kindern mit Hochbegabung, so ist zu vermuten, wird es durch diese Regelung wahrscheinlich zu besonders gravierenden Ungerechtigkeiten kommen.

Nehmen wir also zunächst die “Leistungsbereitschaft“: Hochbegabte Kinder sind leistungsbereit, sogar in hohem Maße. Sollen sie aber über lange Zeit hinweg sie völlig unterfordernde kleinschrittige Wiederholungsaufgaben erledigen und nichts weiter, so werden sie sich dort sicherlich nicht hervortun. Sie bekommen oft gar keine Möglichkeit, ihre Leistungsbereitschaft unter Beweis zu stellen – und werden in dieser Kopfnote häufig nicht gut bewertet werden. Sind sie deswegen also weniger leistungsbereit???
Schon in den Fachnoten erlebt man deutliche Ungerechtigkeiten bei der Benotung Hochbegabter: ein mir bekannter Junge wurde im Physikunterricht gar nicht mehr aufgerufen mit der Begründung des Lehrers: “Ich frage dich nicht mehr; ich weiß ja, dass du das weißt.” Der Junge zeigte daraufhin logischerweise nicht mehr auf, bekam aber auch keine andere Möglichkeit, sein Wissen zu zeigen. Am Ende des Schuljahres sollte er gerade noch knapp eine 4 in Physik bekommen – wegen mangelnder mündlicher Beteiligung! Bei dieser konkreten Situation konnte man noch einschreiten, es gab ja auch Zeugen für die Aussage des Lehrers, aber bei einer “weichen” Note wie dieser Kopfnote “Leistungsbereitschaft” wird das schwieriger.

Zuverlässigkeit/Sorgfalt: Hochbegabte Kinder, die, wie alle anderen auch, hunderte von Rechenpäckchen zu einer mathematischen Lächerlichkeit schreiben oder wochenlang Lückentexte zu immer demselben sprachlichen “Problem” ausfüllen müssen, werden diese Aufgaben schnell nicht mehr mit der “nötigen” Sorgfalt erledigen, da sie einfach nur noch eine Qual darstellen. Noch eine schlechte Note.

Selbstständigkeit/Verantwortungsbereitschaft: Dabei wird meist verstanden, sich eigenständig im vorgegebenen Rahmen zu bewegen und dort evtl. auch Verantwortung zu übernehmen. Hochbegabte Kinder sprengen diesen Rahmen aber gerne durch Fragen, weitergehende inhaltliche Beiträge oder/und andersartige Arbeitswege. Dies wird dann gerne eher als unangemessen denn als gewünschte Selbstständigkeit bewertet. Notenmäßig zumindest kritisch für diese Kinder.
Dasselbe gilt für die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen: Hochbegabte Kinder sind dazu schon sehr früh in der Lage. Dies aber in einer evtl. dauerhaft als nicht erträglich empfundenen Situation tun zu sollen, kann für sie problematisch sein.

Konfliktverhalten: Ständige Unterforderung führt, vor allem bei Jungen, oft irgendwann zu auffälligem Verhalten im Unterricht. Bekannte Phänomene sind das Spielen des Klassenclowns, aktives Stören des als öde empfundenen Unterrichts und anderes.
Um wieder einmal das, meiner Meinung nach, sehr ausdrucksvolle und sprechende Bild des Schwimmers ins Spiel zu bringen: ein guter Schwimmer, der sich ewig mit Nichtschwimmern im Nichtschwimmerbecken mit Schwimmübungen beschäftigen muss, wird aus Frust und Unterforderung sehr schnell randalieren, andere untertauchen, bespritzen etc. Jeder wird das verstehen und dem Schwimmer die Möglichkeit geben, nach seinen Fähigkeiten trainieren zu können. Von hochbegabten “intellektuellen Schwimmern” aber wird erwartet, sich auf Jahre hin im “geistigen Nichtschwimmerbecken” gut zu benehmen, sich dabei auch noch zurückzuhalten und gute Miene zum öden Spiel zu machen. Das geht oft nicht gut, denn das ist eine Zumutung (die man einem guten Schwimmer definitiv ersparen würde)
Eine schlechte Note in “Konfliktverhalten” ist also häufig vorprogrammiert.

Kooperationsfähigkeit kann ein (hochbegabtes) Kind nur entwickeln, wenn mit ihm auch tatsächlich kooperiert wird, d.h., wenn es ernstgenommen und entsprechend seinen Möglichkeiten in die Pflicht genommen wird. Dann wird es dort kaum Schwierigkeiten geben. Teamarbeit mit Mitschülern, die letztlich mit den Beiträgen des hochbegabten Schülers nicht viel anfangen können, ist nur dann erfolgreich möglich, wenn diesem auch die Möglichkeit gegeben wird, Beiträge zu leisten, die ihm entsprechen. Wenn Kooperationsfähigkeit aber nur bedeutet, dass der/die Hochbegabte sich selbst ständig reduzieren muss, um in der Gruppe irgendwie zu überleben, kann es auch in diesem Notenbereich Probleme geben, weil das auf Dauer nicht auszuhalten ist.

Kopfnoten –
Zurück in die Zukunft?
Oder eher: Vorwärts in die Vergangenheit?

 

100 Jahre Montessori

1907 eröffnete die italienische Ärztin Maria Montessori in einem Armenviertel von Rom ihr erstes »Kinderhaus«.

Die Montessori-Pädagogik ist nicht “Hochbegabtenpädagogik”, zeigt aber in etlichen ihrer Elemente deutlich auf – und das schon seit 100 Jahren! -, wie Leistungsfreude, die Entwicklung sozialer Kompetenzen und auch Erfolg miteinander verbunden werden können.

Montessori beobachtete, “…dass sich Schüler auf eine Sache konzentrieren können, wenn man sie nur lässt. So erfand Montessori die ‘Freiarbeit’. In diesen Stunden können die Kinder selbst entscheiden, welches Wissen sie spielerisch erlernen möchten.” Unterstützung bekommen sie dabei nach dem Motto “Hilf mir, es selbst zu tun.”

Mit den von ihr entwickelten Materialien brachte sie sogar Kindern, die als schwachsinnig und unbeschulbar abqualifiziert worden waren, das Lesen und Schreiben bei.

Studien mit 12jährigen Jugendlichen in Amerika bestätigen zudem nachweisbar, dass die Montessori-Schüler mindestens genauso gut, in einigen Bereichen zudem nachweisbar besser abschnitten als “normal beschulte” Gleichaltrige.

Das Grundgeheimnis dieser Pädagogik ist wiederum – und in diesem Blog
schon zum wiederholten Male benannt: die Wertschätzung der Einmaligkeit
jedes einzelnen Schülers.
Diese lässt Lust am Leben entstehen – und so letztlich auch Lust, zu lernen.

Der Tenor dessen, was Kindern heute immer noch und immer noch wieder vor der Einschulung in die Regelschule gesagt bekommen, geht allerdings diametral in die andere Richtung: “Jetzt ist die Kindheit zu Ende”, “Jetzt beginnt der Ernst des Lebens”, “Jetzt darst du nicht mehr spielen, du musst jetzt still sitzen und lernen” etc. etc.
Hier wird Lernen quasi zur reglementierten, erdrückenden, freudlosen Pflicht, verbunden mit dem ständigen Druck der Möglichkeit, zu versagen.

Ein Klima der generellen Lust am Lernen zu schaffen – an Montessori könnte man sich in diesem Punkt (an etlichen anderen wahrscheinlich auch) sicherlich ein Beispiel nehmen.

 

Nachruf

Plötzlich – und zum jetzigen Zeitpunkt dann doch unerwartet – gab nach einem ca. 30-jährigen, arbeitsreichen und von großer Treue geprägten Dasein unsere Bosch-Spülmaschine heute still ihren Geist auf.

Wie alt sie genau geworden ist, das können wir nur schätzen, weil wir damals 1987 bei unserem Einzug die Küche mit übernahmen mit dem Kommentar ihres Vorbesitzers, alle Elektrogeräte seien recht neu und in guter Verfassung, nur die Spülmaschine sei noch die erste und man müsse sie vielleicht in absehbarer Zeit einmal austauschen…

Wir tauschten mit der Zeit alles aus – nur nicht besagte Spülmaschine.
Sie hielt noch 20 Jahre, ohne je gemurrt zu haben – bis heute. Und selbst ihr Ableben geschah in aller Stille.

Küchengeräte können sooo treu sein. Das musste doch einmal gewürdigt werden  :-)

 

Rundum glücklich

Wer noch ein bisschen Glück braucht – eine französische Automarke besorgt es uns. Sie hat nämlich:

“Das Rundum-Glücklich Paket”

Der entsprechende Werbespot, der im Moment die Radiosender unsicher macht, teilt uns zu diesem Superangebot auch noch die Binsenweisheit mit, dass man Glück nicht kaufen könne, aber… :
Der Vater mit der gütigen Stimme eines weisen Alten klärt in diesem Sinne seinen Filius auf (“Du weißt ja: Glück kann man nicht kaufen“). Dieser antwortet prompt mit einer auf naiv und vertrauensvoll gemachten Selbstverständlichkeit: “Weiß ich doch, Papa. Man kann es leasen!

Jetzt wissen wir es alle! So einfach ist das also.

Für alle, die jetzt dringend ihr Glück leasen möchten: Vergesst nicht den Blick in’s Kleingedruckte…. :-(

 

Vom Säen und Ernten

Heute Morgen blieb mein Auge am alltäglichen Zitat auf der Titelseite der im Ruhrgebiet unvermeidlichen WAZ hängen:

“Sorge dich nicht um die Ernte,
sondern um die richtige Bestellung der Felder”

Konfuzius (551-479 v.Chr.)

In Zeiten, in denen fast jeder bestrebt ist, überall clever das herauszuholen, was für ihn persönlich “drin” ist, Rechte einzufordern oder Ansprüche geltend zu machen, gleichgültig, ob sie berechtigt sind oder nicht oder ob vorher überhaupt gesät wurde, scheint diese Aussage des Konfuzius ganz klar eine irrwitzige Zumutung eines lebensfremden Verrückten zu sein, der wohl noch nicht begriffen hat, wie’s so läuft und wo der “Brotkorb” hängt – und sicherlich nicht im Geringsten vorbildhaft oder eine Wegweisung.

Selbst diejenigen vermutlich, die sich um ein bewusstes Leben bemühen und sich engagiert und vielleicht sogar “selbstlos” einsetzen – sozial, spirituell, kulturell oder wie auch immer – und für die auch der Begriff der “Nachhaltigkeit” kein Fremdwort ist, werden bei dem Anspruch dieses Wortes verschreckt zusammenzucken.

Einsatz, ja gerne, durchaus auch ehrenamtlich, aber man möchte doch gerne in irgendeiner Art auch Früchte des Erfolges sehen und ernten: Anerkennung, einen Posten, der stolze Blick auf ein Werk, das Erreichen eines sinnvollen Zieles oder zumindest erkennbare Fortschritte auf ein Gelingen hin – oder ganz subtil, aber sehr tiefgehend und so schwer loszulassen, weil zutiefst menschlich: die sinnstiftende innere Gewissheit und Befriedigung, Gutes zu tun.

Wirkliche Selbst-Losigkeit ist allerdings ein extrem weit entwickelter Zustand, bei dem kein handelndes Ich mehr steuert oder manipuliert oder nach Befriedigung trachtet, sondern das Sein sich in Achtsamkeit von Situation zu Situation frei und absichtslos handelnd entfaltet. 

Konfuzius sagt, man solle das im Augenblick Notwendige “richtig” tun, aufmerksam, wahrhaftig, in Ehrfurcht vor den Dingen – und alles andere, jede Absicht, jeden Zweck, außen vorlassen.
Tun ohn’ Warum, einfach, weil es der nächste Schritt ist.
Alles andere wird sich zeigen.

 

Zum Jahresbeginn

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Nicht, die Zukunft zu erraten, ist wichtig,

sondern zu sehen, was die Gegenwart fordert.

Nicht, seine Chance zu berechnen, tut Not,

sondern seine Sendung zu bedenken.

Kardinal de Lubac

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