Archiv für die Kategorie Hochbegabung

Wirklich verboten dämlich!

Kinder müssen nicht hochbegabt sein.

Eltern und Großeltern müssen auch nicht hochbegabt sein.

Wirklich nicht.
Wirklich wirklich wirklich nicht!

Aber dürfen Eltern/Großeltern so dämlich sein, wie in den Beiträgen des Aci-Blogs Buchhändleralltag und Kundenwahnsinn geschildert?

Arme Kinder!

Man lese hier und hier – und wundere sich über gar nichts mehr.

:-(

 

So kann es sein…

Im Archiv der Vereinszeitschrift der DGhK, dem “Labyrinth”, fand ich den Beitrag eines jugendlichen Teilnehmers am Rhein-Ruhr-Sommercamp 1993. Dieser Bericht zeigt ganz exemplarisch, wie unendlich groß die Motivation hochbegabter Kinder ist, wie unermüdlich und fast unerschöpfbar sie alle Anregungen aufnehmen, ohne eine Unterscheidung zwischen Lernen und Freizeit zu treffen: die Freude über den Besuch einer Kirmes und eines Erlebnisschwimmbades wird noch übertroffen von der Begeisterung über die Besichtigung einer Kläranlage. Das Sommercamp des RV Rhein-Ruhr wurde im August 1993 über 7 Tage mit 22 Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren in Bochum durchgeführt. Es stieß auf ein überraschend hohes Medieninteresse und brachte der DGhK während dieser Tage eine recht große Präsenz in Presse, Funk und Fernsehen ein.

 

Super-Sommercamp der DGhK
Das Ruhrgebiet erleben

 
Als ich im Naturfreundehaus Bochum-Hedtfeld ankam, wurde ich freundlich begrüßt. Thomas, den ich vom Universitären Sommercamp (Arnsberg) kannte, gab mir, zusammen mit Nils, sofort ein Zugehörigkeitsgefühl. Wir drei kamen auf ein Zimmer, nachdem wir uns alle miteinander bekannt gemacht hatten, die Presse- und übrigen Termine festgelegt worden waren, und wir diskutierten bis in den frühen Morgen.

Am zweiten Tag besuchten wir das Eisenbahnmuseum in Bochum-Dahlhausen. Zuerst wurde uns das Prinzip der Dampflokomotive erklärt. Mir gefiel das Schienenfahrrad am besten. Einfach spitzenmäßig!
Nachmittags waren wir im Wassermuseum Aquarius in Mülheim-Styrum, das ursprünglich ein alter Wasserspeicher war. Wir erhielten Magnetkarten, mit denen man Computer aktivieren konnte. Hatte man Fragen, z.B. über den Alltag im Klär-/Wasserwerk, richtig beantwortet, bekam man Punkte, die auf der Karte gespeichert wurden. Zum Schluss gab es darüber dann ein Zeugnis. Es war sehr interessant!
Am Abend ging’s zur Cranger Kirmes, der größten in Deutschland. Unsere Super-Truppe – Sabine, Kay, Berthold, Simon, Veit und ich – war auf der großen Autoscooterbahn, der riesigen Wildwasserhahn usw. Thomas war sogar auf der Achterbahn, die vier Loopings hatte. Zum Schluss gab es ein supertolles Feuerwerk!

Am dritten Tag machten wir eine Hafenrundfahrt in Duisburg-Ruhrort. Das war so interessant wie in Hamburg. Die Schlepper können bis zu 8000 PS haben. Uns sind zwei Tanker begegnet, deren Laufwege an Back- und Steuerbord unter Wasser standen.
Nachmittags waren wir zum Picknick auf der Alsumer Halde. Dort sahen wir einen krassen Unterschied: auf der einen Seite des Berges nur Industrie, auf der anderen nur Felder und Bäume. (Ich nahm mir ein paar stachelige Gewächse mit.)
Anschließend kam das Beste: Uns wurde von einem Fachmann die Kläranlage “Kleine Emscher” erklärt. Die Anlage hat zwei Faulbehälter, in denen bestimmte Bakterien dem Klärschlamm die lebenden Organismen entziehen. Oft fischt man tote Ratten aus einem Becken. Manchmal werden lebende Tiere angeschwemmt. Kürzlich war sogar ein Rehbock gerettet worden. Gerettete Hunde und Katzen werden weitestgehend den Besitzern zurückgegeben. Im vergangenen Jahr ist eine Leiche herausgeholt worden (wahrscheinlich hatte der Mensch Selbstmord verübt). Das Belebungsbecken ist für Mensch und Tier tödlich, da so viel Luft hineingeblasen wird.
Am Abend hielten wir Rückblick, besprachen den nächsten Tag und spielten wie jeden Abend Tischtennis, Fußball oder etwas anderes.

Am vierten Tag war die Stadtrallye angesagt: Mit der S-Bahn fuhren Thomas, Robert, Nils, Christian, Veit, Martin und ich zum Ruhrlandmuseum, Essen. Dort begleitete uns Frau Steinhard, die unsere Fragen ausführlich beantwortete. Wir sahen viele Steinarten, auch Bergkristalle. Besonders viel erfuhren wir über den Steinkohleabbau und wie die Arbeiter früher gelebt haben: Wir besichtigten die sanitären Einrichtungen, die Kleidung der Arbeiter (auch die Paradeuniformen), Feldflaschen. Dann sahen wir noch die Aufzugsschächte, die mit Stahl ausgekleidet waren.
Frau Steinhard erzählte uns, dass Ende des 19. Jahrhunderts Gaststätten nur von Vertrauenspersonen geführt wurden, da die Bergleute manchmal betrunken zur Arbeit kamen. Die Wirte dienten als Spione/Spitzel. Der betrunkene Arbeiter bekam eine rote Karte; das hieß, er musste sich beim Chef melden. Gelbe Karten bedeuteten: krank; grüne: o. k. Es gab noch andere Farben, deren Bedeutung ich nicht mehr weiß. Die Marken hingen an einem mit 4500 bis 6000 Haken bestückten Balken. Als die Arbeiter schließlich die Spione enttarnten, gründeten sie sogenannte Schnapstheken, in denen sie unbeobachtet trinken konnten.
Anschließend besichtigten wir die Margarethenhöhe, eine von Margarethe Krupp gestiftete, im süddeutschen Stil errichtete Wohnsiedlung für Krupp-Arbeiter in Essen. Zuerst wurden nur Ein-, später auch Mehrfamilienhäuser gebaut. Ein Haus kostete im Jahr 1930 circa 7500 Mark. Die Miete betrug 7 Mark pro Monat. Jedes Haus hatte eine Heizung und ein Kühlsystem sowie einen Garten. Auf dem Marktplatz gibt es einen “Goldgräber-Brunnen“, der zur Einweihung der Margarethenhöhe gebaut worden war.
Am Abend fuhren wir zum Musical “Starlight Express” nach Bochum. Es handelt davon, dass ein Junge vom Rennen der verschiedenen Züge träumt. Das Titellied fand ich besonders gut! Es war superklasse!

Am fünften Tag waren wir im Bergbaumuseum in Bochum. Mit dem Fahrstuhl sind wir ungefähr 15 bis 20 Meter in die Tiefe gefahren; das war allerdings ein “Schauschacht”. Dann gingen wir durch einen Stollen. Zuerst durch einen Bereich in alter Bauweise: mit Holzstreben, dann durch einen mit umgeformten Eisenbahnschienenstreben. Dort war eine Bohrmaschine auf Rädern, die mit Pressluft betrieben, 2,50 Meter tiefe Löcher bohren kann. (Die Lautstärke war wie die von vier auf Maximum gebrachte 100 Watt Boxen.) Die Löcher wurden mit Sprengstoff gefüllt. Der Sprengmeister ging mit der Zündschnur in ungefähr 100 Meter Entfernung und zündete sie an. Zum Abbau der Steinkohle benutzte man Metallhobel oder -fräser. Zuletzt kamen wir in einen mit Beton ausgekleideten Stollen. Dort sind wir dann in einem Förderturm bis in 65 Meter über der Erdoberfläche gefahren und noch zehn Meter höher über Treppen gestiegen. Es war ein tolles Erlebnis! Danach machten wir Picknick auf der Wiese vor dem Museum und Spiele.
Nachmittags waren wir im Aquadrom in Bochum. Es war gigantisch! In der Turborutsche wurde man in der Kurve gegen die Wand gepresst. Es gab noch die Rutschen “Blauer Wal” und “Grüner Hai”. Das West 3-Fernsehen filmte uns und interviewte einige aus unserer Gruppe.
Am Abend fand eine längere Diskussion mit einer Vertreterin des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) statt.

Am sechsten Tag besuchten wir eine Großgießerei der Firma Mannesmann in Duisburg-Huckingen. In Hochöfen werden die Metallstoffe vom Gestein getrennt. Der flüssige Stahl wird zu Barren gegossen und in alle Welt exportiert. Das Werk hat einen eigenen Hafen. Wir betrachteten alles von den oberen Laufwegen aus, weil es unten wegen der glühenden Eisentropfen, die manchmal daneben fallen, zu gefährlich war; außerdem hatten wir Schutzhelme mit hygienischen Papierkappen auf.
Am Nachmittag waren wir im Großrohrwerk Mülheim der Firma Mannesmann. Wir mussten erneut Schutzhelme aufsetzen und wegen der Lautstärke Ohrenstöpsel nehmen. Im Werk sahen wir, wie die Stahlbarren bis zu 160 Meter Länge gewalzt wurden; danach wurden die Platten geschnitten, geformt und geschweißt. Wir sahen auch, wie nahtlose Rohre gefertigt wurden. Der Stahl hat eine Temperatur von 2400 Grad Celsius, wenn er verarbeitet wird. Es dauert 24 Stunden, bis ein Barren fertig ist. Nach der Verarbeitung haben die Rohre noch eine Temperatur von 1800 Grad Celsius; sie werden daher in den Kühlraum gelegt.
Abends wurde die Stadtrallye ausgewertet, und die Fotos wurden gezeigt.

Alles in allem haben wir sehr viel gelacht, sehr viel erlebt, vertrugen uns gut, hatten nette und geduldige Ansprechpartner, freundliche Herbergseltern und gutes Essen!!!
Allen Initiatoren an dieser Stelle nochmals meinen herzlichen Dank!!!

Das war ein HERVORRAGENDESSUPERTOLLESFANTASTISCHESSPITZENMÄßIG gutes Sommercamp!

Lars-E. S. (30. August 1993), erschienen im Labyrinth Nr. 41, 16. Jahrgang, Oktober 1993

 

Elite? Bitte nur als Staubsauger!

Heute nur kurz der Hinweis auf einen erfrischenden Artikel des Deutschlandradio Kultur zu “Elite” anlässlich einer Buchbesprechung (Heike Schmoll: Lob der Elite – Warum wir sie brauchen, C.H. Beck Verlag, München 2008)

Als Häppchen ein Zitat:
“Der eine Haushaltswarenhändler nennt seinen Staubsauger ‘Privileg’, der andere ‘Elite’ – und letzterer darf sich dabei kulturhistorisch auch noch auf der sicheren Seite fühlen:
‘So erwähnt Denis Diderot im fünften Band seiner Encyclopédie im Jahre 1755 élite als Gütesiegel für auserlesene Spitzenprodukte wie Elite-Gänseleber und Elite-Garn.’
Offensichtlich schon früh auf den Hund gekommen, ist es bis heute ein Elend um den Begriff der Elite geblieben. Während der Handel versucht, inflationär damit Eindruck zu schinden, scheuen Politik und Soziologie keinen Aufwand, den Tatbestand der primi inter pares verhüllend zu umschreiben, um bloß nicht in den Verdacht zu geraten, sie verstießen gegen die vermeintliche demokratische Dienstanweisung ‘Seid gleich und erhebt euch nicht übereinander’.”

 

Unglaublich!

Da gibt es einen Jungen, der in einer Fast-Großstadt eine Grundschule besucht.
Dieser Junge hat einen IQ von 140.
Die Lehrerin weiß das, kennt den Test und kümmert sich absolut und überhaupt nicht darum.
Der Junge wird auffällig.
   
Die Lehrerin gibt ihm nur die Empfehlung für die Hauptschule.
Sie begründet das mit dem Verhalten des Jungen.
Sie ist nicht davon abzubringen.
    
Der Junge ist jetzt also auf einer Hauptschule.
Er wird dort immer auffälliger.
Jetzt soll er auf eine Schule für “Schwererziehbare”
Er hat immer noch einen IQ von 140.

Wegen Körperverletzung wird man angeklagt.
Gibt es auch einen Tatbestand “seelische Grausamkeit” oder “psychische Vernichtung Schutzbefohlener”, der in dem Fall dieser Grundschullehrerin greifen könnte?

 

Bitte nicht verwechseln!

Durch den aktuellen Steuerhinterziehungsskandal etlicher Manager etc. ist das Wort “Elite” wieder in aller Munde. Die

Das Wort ist negativ besetzt – und wird oft sehr undifferenziert benutzt.

Hochbegabte Kinder und Erwachsene haben oft mit dem Vorurteil zu kämpfen, sie bildeten eine eben solche, eine Elite.
Mag ja sein, dass das in EINER Hinsicht so ist, aber es handelt sich dabei um eine intellektuelle Elite! Das hat aber nichts, aber auch gar nichts mit dem üblen Dunst zu tun, der den Begriff “Elite” oft umhüllt:

Hochbegabung ist mit einem großen intellektuellen Potenzial verbunden, oft ererbt – und ist ein MENSCHLICHES Phänomen: Galeerensträflinge waren hochbegabt, Soldaten, Minnesänger und Burgfräuleins, Sklaven, Bauern, Akkordarbeiter, Revolutionäre, Reispflückerinnen in China, kindische Entertainer und magersüchtige Models – ganz egal.

Ungefähr 2% der Bevölkerung halt, überall und immer.

Hochbegabung hat mit einem bestimmten finanziellen Hintergrund oder anderen sozialen Kriterien gar nichts zu tun!!!

Die Elite, die z.T. jetzt zu Recht argwöhnisch ins Visier genommen wird, ist dagegen ein SOZIALES Phänomen, eine Geldelite, die das “normale Volk” nur noch aus dem Fernsehen oder von “Sozialprojekten” her kennt: Das Schloßinternat Salem veranstaltet (als Unterrichtsfach!) z.B. tatsächlich so etwas, Sozialprojekte für die angehende “Verantwortungselite”: Dann schickt etwa eine reiche Schülerin großzügig ihrer “Sozialoma” eine Ansichtskarte aus Neuseeland, oder die Jungs renovieren netterweise einen Raum in einem Begegnungszentrum für Jugendliche, mit denen sie nie auch nur ein einziges Bier zusammen trinken würden. Die Art, wie sie über die Betroffenen ihrer “Sozialprojekte” sprechen, ich beziehe mich da auf eine Fernsehsendung des WDR am 11.2.08, ähnelt dann der, wie man von Schlupp vom anderen Stern redet. Da wundert es einen nicht, wenn diese Leute in die Irre laufen. Die leben in einem eigenen, bequemen, abgeschirmten Universum.

Aber bitte: Das alles hat mit Hochbegabung, aus der sich bei positiver Sozialisation evtl. eine intellektuelle Elite entwickelt und die ca. 2% der Menschheit überall und in allen Verhältnissen betrifft, nichts nichts nichts zu tun!!

 

Na also, geht doch!

“Förderung nicht nur für Elite” titeln die Cuxhavener Nachrichten und berichten von einer Kooperation von Kindergärten und Schulen zu einem “Hochbegabtenverbund”.

“So soll … diese Einrichtung keineswegs nur einer kleinen Elite mit einem nachgewiesenen IQ von über 130 zugutekommen, unterstreicht Robert Just, Schulleiter des Amandus-Abendroth-Gymnasiums.
Vielmehr wird in allen Schulformen und schon in den Kindergärten beobachtet, dass es es eine Vielzahl von Kindern gibt, auf die vielleicht nicht unbedingt der strenge Begriff Hochbegabung zutrifft, die aber wohl spezielle Begabungen haben und die von zusätzlichen Angeboten besonders profitieren könnten. Das können Kinder sein, die im Unterricht durch besondere Lebhaftigkeit auffallen, aber auch jene, die sich hinter ihrer Stille verbergen.
Besondere Begabungen sollen in jedem Alter erkannt, anerkannt und dann auch gefördert werden, ohne Zeit zu verlieren. Dabei geht es nicht nur um die Förderung des Talentes, sondern um das ganze Kind: ‘Wir wollen, dass die Kinder uns nicht wegen Unterforderung und Langeweile wegrutschen’, erklärt Georg Schillmöller, Leiter der Nordholzer Grundschule.”

Na also!
Förderung für alle ist doch etwas Schönes – was will man mehr, wenn’s funktionniert?

 

Kindergarten in Not II

Da heute ein entsprechender Artikel in der Presse ist, in RP online, greife ich auch das Thema meines vorvorletzten Beitrages noch einmal auf, der sich natürlich auf den in besagtem Artikel erwähnten Kindergarten bezog: das iMoKHo-Kinderhaus in Remscheid, geleitet von Johanna Scholz.

Dieser Einrichtig hat die Kargstiftung nach vielen Jahren der Förderung von einem Tag auf den anderen alle Gelder gestrichen – übrigens nicht nur diesem Kindergarten, sondern so gut wie allen Einrichtungen frühkindlicher Förderung. Eine Entscheidung am grünen Tisch. Ein “Politikwechsel” dieser Stiftung setzt wohl ab jetzt auf Projekte, die vielleicht imageträchtiger sind als die Förderung von Kleinkindern.
Das ist extrem kurzsichtig!

Ich bin selbst einen Morgen lang im iMoKHo-Kinderhaus gewesen und habe erlebt, wie auf jedes der (hochbegabten) Kinder sehr sehr individuell eingegangen wurde, mit kundigem und sehr aufmerksamem Blick auf die jeweiligen Besonderheiten in Verhalten, Charakter, Persönlichkeit.
Viele Kinder, die mit Störungen dorthin kamen, blühten schnell auf und konnten ein gut funktionierendes Sozialverhalten entwickeln. Das, zusammen mit ihrem großen intellektuellen Potenzial, lässt darauf hoffen, dass diese Kinder zu zufriedenen und ausgeglichenen Leistungsträger in unserer Gesellschaft werden.
Und jetzt?

Für Besonderheiten im unteren Spektrum von Begabung oder bei Behinderungen gibt es unendliche Hifen und Unterstützungsmöglichkeiten, was natürlich seine völlige Berechtigung hat.

Sollen begabte Kinder aber wirklich im Regen stehen bleiben?

Zukunft braucht Begabung – Begabung braucht Zukunft

 

Luxus

Es ist kein Luxus, Begabte zu fördern.
Es ist ein Luxus, und zwar ein sträflicher, dies nicht zu tun.

(Alfred Herrhausen, früherer Manager der Deutschen Bank)

 

Tier müsste man sein!

Einen bemerkenswerten Zeitungsartikel von Caroline Rollinger habe ich gefunden, am 24.12.2007 in der WAZ und abgewandelt in der Aachener Zeitung vom 11.9.2007 (daraus die folgenden Zitate).

Es geht darum, dass man festgestellt hat: “Knut ist wieder in den Schlagzeilen.

“Geh’ mir weg mit Knut”, wird der gelangweilte Leser jetzt denken, aber gemach, gemach: Das Ganze wird noch spannend.

Denn:
Knut ist wieder in den Schlagzeilen, aber: “Diesmal nicht, weil er so niedlich aussieht, sondern wegen seines besorgniserregenden Verhaltens. Der Polarbär nuckelt an seinen Tatzen – ein möglicher Hinweis darauf, dass der Bär sich langweilt.”

Und dann folgt die atemberaubende Feststellung: “Das Problem der Langeweile bei Zootieren ist nicht neu.

Sieh an:

“Zu wenig Platz, Futter auf dem Präsentierteller und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten machen den Tieren zu schaffen. «Da verwundern lustlos herumschweifende Tiger und Affen, die traurig an die Käfigstangen schlagen, nicht», sagt Laura Zimprich von der Tierschutzorganisation «Animal Public».”

Ach ja:

Anders jedoch als bei hochbegabten Kindern ist man nun bei den Zootieren sehr schnell auf die Idee gekommen: “«Nicht nur ein artgerechtes Gehege, sondern auch die Förderung der natürlichen Instinkte und der Intelligenz ist für das Wohlbefinden der Tiere sehr wichtig», bekräftigt die Vorstandsassistentin der Stiftung Artenschutz, Birgit Benzing. In puncto Zeitvertreib sind der Fantasie der Pfleger keine Grenzen gesetzt.”

Schau, schau!

Und weiter: ” Nachdem wissenschaftliche Studien Anfang der 90er Jahre das Thema Langeweile thematisierten, gab es ein Umdenken in den Zoos. Seither halten Spielzeuge, Trainingsprogramme und Fütterungen, bei denen die Tiere ihr Futter suchen oder ihm nachjagen müssen, viele Tiere auf Trab.

Beneidenswert, nicht wahr:

“Jeder Zoologische Garten oder Tierpark in Deutschland entscheidet selbst, welchen Tieren er die Zeit vertreibt und wie lange. Die Methoden werden aber immer weiterentwickelt, wie der Münsteraner Allwetterzoo zeigt. Hier erhalten seit kurzem sogar bisher vernachlässigte Tiere wie Vögel und Fische ein körperliches und geistiges Fitnessprogramm

Wow! Mensch! Zootier müsste man sein!

Langeweile durch Hochbegabung bei Kindern: Mein Gott, die sollen sich nicht so anstellen und sich anpassen…
Langeweile bei Zootieren: Da müssen ausgefeilte pädagogische Programme her, um die Tiere bei Laune zu halten. Die Tierpfleger sind da auch sehr engagiert und ideenreich, wie man in diesem Artikel lesen konnte.

Ich habe da in aller Bescheidenheit einen genialen Vorschlag:
Wie wäre es, wenn man Tierpflegern statt einigen Pädagogen das Unterrichten hochbegabter Kinder überlassen würde. Denen würde bestimmt schon etwas Spannendes zur Förderung einfallen.

Oder sollte man hochbegabte Kinder in den Zoo…

“Also das geht jetzt doch zu weit!”, mag jetzt vielleicht der bestürzte Leser denken: Bier ist Bier, und Schnaps ist Schnaps – und man darf doch dem niedlichen Knut nun wirklich nicht seine Personal Trainer wegnehmen, nicht wahr?!

 

Irgendwo in Deutschland

Traurig, aber wahr:
Es gibt einen Kindergarten in einer kleinen Stadt in einem eher ländlich geprägten Umfeld, der wunderbare Arbeit leistet. Alles ist offen, in viele klar abgegrenzte Bereiche (Leseecke, Labor, Bauwagen, Computerbereich, Bastelecke, Experimentierraum, Snoozlebereich, Turnraum mit sehr schöner Ausstattung etc.) wunderschön und sinnvoll gegliedert.
Alle Kinder können alle Materialien benutzen – und sie tun es.
Auch begabte “ganz Kleine” werden bei Interesse einbezogen in die Arbeit mit den Großen. Es gibt keine festen Gruppen, sondern es wird nach dem Fachleiterprinzip inhaltlich gearbeitet.
Langeweile gibt es nicht in dem Kindergarten. Jedes Kind findet für sein Begabungsniveau Möglichkeiten. Es kann selbstorganisiert gespielt und gelernt werden, allein und bei bester Unterstützung.
Es ist eine Wonne!
Früheinschulung ist dort überhaupt kein Thema, weil selbst Kinder mit Hochbegabung nichts vermissen. Im Gegenteil: es macht Sinn, die Kinder so lange wie möglich in diesem Kindergarten zu belassen, denn die konservativ arbeitenden Schulen der Umgebung werfen die Schulkinder eher wieder zurück in eine Unselbständigkeit des Lernens, die sie vorher nicht gekannt haben, weil sie im Kindergarten gelernt haben, sich selbst zu organisieren.
Dieser (städtische) Kindergarten arbeitet nicht nur, was Begabungsförderung angeht, vorbildlich, sondern auch noch integrativ, mit Schwerpunkt auf Naturkunde, Gesundheit, Bewegung etc. Das alles kompetent mit speziell ausgebildetem und extrem motiviertem Personal, das sehr unterschiedliche Weiterbildungen absolviert hat und absolviert.

Ein Traum von einem Kindergarten.
Soweit, so gut.

Dieser Kindergarten sollte nun – verdientermaßen – eine Auszeichnung für seine begabungsfreundliche Arbeit bekommen, einen Preis, inklusive einem netten Scheck, einem Schild für den Eingangsbereich und Presse.

Das aber brachte die Leiterin des Kindergartens in arge Not.
Man lese, warum:

Alle anderen Einrichtungen der kleinen ländlichen Stadt arbeiten halt nach alter Väter Sitte, nicht schlecht, bewährt, ohne Experimente. Und: Sie schauen mit bösen bösen Augen auf diesen wunderbaren Kindergarten, der alles anders macht als sie. Er ist ihr Feind.
Anstatt sich zu bemühen, Ähnliches zu leisten, wird verleumdet, schlecht gemacht und gemunkelt, Misstrauen gesät, Eltern wird abgeraten, ihre Kinder dorthin zu schicken, es wird versucht, die gute Arbeit in den unterschiedlichen Bereichen kaputtzureden.

Neid, Missgunst, Angst, Unsicherheit. Was auch immer!
Vor allem aber: Dummheit!

Fazit: Die Leiterin des Kindergarten bittet nun darum, erst einmal den Preis für begabungsfreundliche Arbeit bitte nicht bekommen zu müssen! Jetzt auch noch mit einer solchen Auszeichnung in der Öffentlichkeit zu erscheinen, wäre sehr wahrscheinlich äußerst kontraproduktiv für den Kindergarten. Dann würde man ihm, neben allem anderen, auch noch vorwerfen, elitär zu sein. Man habe schon genug Probleme mit all dem Misstrauen der eigenen Arbeit gegenüber – und ein solcher Preis würde die Arbeit erschweren, nicht erleichtern.

Also: kein Preis für einen auszeichnungswürdigen, begabungsfreundlichen Kindergarten, weil er sich fürchten muss vor der Reaktion in der Stadt.

Das mitten in Deutschland im Jahre 2007.