Irgendwo in Deutschland
Traurig, aber wahr:
Es gibt einen Kindergarten in einer kleinen Stadt in einem eher ländlich geprägten Umfeld, der wunderbare Arbeit leistet. Alles ist offen, in viele klar abgegrenzte Bereiche (Leseecke, Labor, Bauwagen, Computerbereich, Bastelecke, Experimentierraum, Snoozlebereich, Turnraum mit sehr schöner Ausstattung etc.) wunderschön und sinnvoll gegliedert.
Alle Kinder können alle Materialien benutzen – und sie tun es.
Auch begabte “ganz Kleine” werden bei Interesse einbezogen in die Arbeit mit den Großen. Es gibt keine festen Gruppen, sondern es wird nach dem Fachleiterprinzip inhaltlich gearbeitet.
Langeweile gibt es nicht in dem Kindergarten. Jedes Kind findet für sein Begabungsniveau Möglichkeiten. Es kann selbstorganisiert gespielt und gelernt werden, allein und bei bester Unterstützung.
Es ist eine Wonne!
Früheinschulung ist dort überhaupt kein Thema, weil selbst Kinder mit Hochbegabung nichts vermissen. Im Gegenteil: es macht Sinn, die Kinder so lange wie möglich in diesem Kindergarten zu belassen, denn die konservativ arbeitenden Schulen der Umgebung werfen die Schulkinder eher wieder zurück in eine Unselbständigkeit des Lernens, die sie vorher nicht gekannt haben, weil sie im Kindergarten gelernt haben, sich selbst zu organisieren.
Dieser (städtische) Kindergarten arbeitet nicht nur, was Begabungsförderung angeht, vorbildlich, sondern auch noch integrativ, mit Schwerpunkt auf Naturkunde, Gesundheit, Bewegung etc. Das alles kompetent mit speziell ausgebildetem und extrem motiviertem Personal, das sehr unterschiedliche Weiterbildungen absolviert hat und absolviert.
Ein Traum von einem Kindergarten.
Soweit, so gut.
Dieser Kindergarten sollte nun – verdientermaßen – eine Auszeichnung für seine begabungsfreundliche Arbeit bekommen, einen Preis, inklusive einem netten Scheck, einem Schild für den Eingangsbereich und Presse.
Das aber brachte die Leiterin des Kindergartens in arge Not.
Man lese, warum:
Alle anderen Einrichtungen der kleinen ländlichen Stadt arbeiten halt nach alter Väter Sitte, nicht schlecht, bewährt, ohne Experimente. Und: Sie schauen mit bösen bösen Augen auf diesen wunderbaren Kindergarten, der alles anders macht als sie. Er ist ihr Feind.
Anstatt sich zu bemühen, Ähnliches zu leisten, wird verleumdet, schlecht gemacht und gemunkelt, Misstrauen gesät, Eltern wird abgeraten, ihre Kinder dorthin zu schicken, es wird versucht, die gute Arbeit in den unterschiedlichen Bereichen kaputtzureden.
Neid, Missgunst, Angst, Unsicherheit. Was auch immer!
Vor allem aber: Dummheit!
Fazit: Die Leiterin des Kindergarten bittet nun darum, erst einmal den Preis für begabungsfreundliche Arbeit bitte nicht bekommen zu müssen! Jetzt auch noch mit einer solchen Auszeichnung in der Öffentlichkeit zu erscheinen, wäre sehr wahrscheinlich äußerst kontraproduktiv für den Kindergarten. Dann würde man ihm, neben allem anderen, auch noch vorwerfen, elitär zu sein. Man habe schon genug Probleme mit all dem Misstrauen der eigenen Arbeit gegenüber – und ein solcher Preis würde die Arbeit erschweren, nicht erleichtern.
Also: kein Preis für einen auszeichnungswürdigen, begabungsfreundlichen Kindergarten, weil er sich fürchten muss vor der Reaktion in der Stadt.
Das mitten in Deutschland im Jahre 2007.