Archiv für den September, 2007

Hochbegabung: Störung? Krankheit?

Hochbegabung = Abweichung von der “Normalität” = nicht normal…

In den letzten Wochen in mehreren Zeitungsartikeln als “Fluch” bezeichnet, wird heute einmal wieder das “Phänomen” Hochbegabung abgehandelt unter dem weiten Mantel der behandlungsbedürftigen Störungen:
Unter dem bereits aussagekräftigen Titel “Legasthenie, Dyskalkulie und Hochbegabung” veröffentlicht Echo-online die Ankündigung einer Messe zu Beratungs- und Förderangeboten in Rossdorf, Hessen.
Mehr als 50 Pädagogen informieren – jetzt wörtlich zitiert: “über
den Umgang mit Störungen wie Legasthenie und Dyskalkulie, aber auch zur Hochbegabung
“.

Ich verkneife mir jeden Kommentar, weiß aber nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

Erinnert werde ich in diesem Zusammenhang an den Beginn des Vortrages eines der Mitbegründer der Jugendplattform KUBUS auf einem Ärzte-Symposium mit dem Thema “Autismus, Asperger-Syndrom und Hochbegabung”:

Etwas irritiert war ich, als ich den Titel der Tagung las, auf der ich einen Vortrag zum Thema Hochbe­gabung halten sollte. Hochbegabung in einer Reihe mit Autismus und dem Asperger-Syndrom? Auf den ersten Blick schien mir das ein wenig merkwürdig. Dreht man jedoch die Perspektive von sich weg und hin auf die eines Beobachters, wird die Parallele offenbar: Alle drei Phänomene führen zu einem für die Umwelt schwer verständlichen Verhalten.
Allerdings ist das Ausmaß doch sehr verschieden: Während Autismus und Asperger-Syndrom Krank­heiten sind, die dem Betroffenen ein eigenständiges Leben stark erschweren oder gar unmöglich ma­chen, ist Hochbegabung ein Phänomen, das den Betroffenen eigentlich das Leben um vieles erleich­tern müsste, wenn die Umgebung nicht oftmals Schwierigkeiten hätte, mit dem Hochbegabten umzu­gehen.Bei Autismus und Asperger-Syndrom kann es Ziel einer Therapie sein, den Patienten an die Realität heranzuführen und ihm ein möglichst eigenständiges Leben zu ermöglichen. Was aber könnte das Ziel einer „Therapie“ für Hochbegabte sein?
Eine Heranführung an die „Normalität“ kann es nicht sein, denn sie würde für den Betroffenen einen Rückschritt bedeuten, und ich kenne einige Fälle in denen genau solche Versuche zu massiven psychischen Problemen bis hin zu
Suizidversuchen geführt ha­ben.

Da muss ein Jugendlicher einer großen Versammlung von verdoktorten Ärzten sagen: “Hallo Jungs, ich bin hochbegabt – aber ich bin nicht krank oder unnormal, und therapiert werden muss ich deswegen schon gar nicht!” …

 

Neue Kurzsichtigkeit

Ist nun jeder gute Schüler hochbegabt? Ist andererseits jeder hochbegabte Schüler automatisch ein schulischer Überflieger?
Diese Fragestellung ist aktueller denn je.

Starke Schüler brauchen Förderung” titelt Echo-online.
So lobenswert diese Feststellung ist und so modellhaft sinnvoll der Umgang mit Hochbegabung auf den mit dem hessischen Gütesiegel ausgezeichneten Gesamtschulen Münster und Rodgau, so sehr erregen die Aussagen der jeweiligen Direktoren dieser Schulen in mir den Argwohn, dass es wiederum nur die Schüler mit den guten Noten sind, die in den Genuss der entsprechenden Fördermaßnahmen für Hochbegabte kommen:

“Ich tue mich schwer mit dem Begriff Hochbegabung und spreche lieber von hochmotivierten und leistungsstarken Schülern“, sagt z.B. Herr Cwielong vom Gymnasium Münster.
Und Heidi Kempf von der Rodgauer Schule: “Verschwindend wenige Schüler seien getestet hochbegabt, alle motivierten, lernfreudigen Schüler würden in den Kursen zusammengefasst.”

Mich stört an dieser Aussage nicht, dass Schüler nicht getestet sind – mich stört allerdings, dass der Blick einmal wieder nicht gerichtet ist auf die hochbegabten Schüler, die eben nicht “motiviert und leistungsstark” sind, weil ihre Vorgeschichte sie zu Underachievern gemacht hat. Es geht einmal wieder nur um die Hochleister.

Mein Verdacht bestätigt sich immer mehr: Das “Phänomen” Hochbegabung ist zwar so langsam salonfähig geworden, und man tut auch recht gerne etwas für die Hochleister. So etwas schmückt mittlerweile ja auch. Diejenigen aber, die an ihrer Hochbegabung leiden, Minderleister geworden sind, nicht motiviert vielleicht sogar zum Problem geworden sind, weil sie z.B. keine Hausaufgaben machen, stören etc. die fallen mittlerweile immer öfter durch jedes Raster, während die Hochleister hofiert werden.

Da hat sich eine neue Art des falschen Umgangs mit Hochbegabung entwickelt.
Diese basiert oft auf Unkenntnis, die – sorry – auch z.T. darauf zurückzuführen ist, dass die meisten Menschen/Pädagogen, die mit Schule zu tun haben, halt nicht hochbegabt sind, einfach keine eigenen Erfahrungswerte damit besitzen und deswegen einfach diesen Qualitätssprung im Denken selbst nicht nachvollziehen können (wer noch nie Eierlikör getrunken hat, weiß nicht, wie er schmeckt). Auch deswegen werden so häufig Schüler anhand der “normalen” und sozial anerkannten Kriterien für die Hochbegabtenprogramme halt leistungsorientiert ausgewählt. Leistung ist handfest.

Pädagogin Heidi Kempf: „Lehrer sind sehr wohl in der Lage, hochbegabte Schüler von fleißigen zu unterscheiden.“
Sorry: aber das glaube ich ganz und gar nicht. Das mag vielleicht bei der Unterscheidung innerhalb der Gruppe der wirklichen Hochleister zutreffen, ansonsten aber nicht!
Im Gegenteil, der Trend geht in die andere Richtung, nämlich die simple Gleichung “Motivierter Hochleister = vielleicht hochbegabt” bzw. im Umkehrschluss “Minderleister, Leistungsverweigerer = Problem und bestimmt nicht hochbegabt” für die Wirklichkeit zu halten und als Basis pädagogischen Handelns zu nehmen.

Es gehen immer noch viel zu viele hochbegabte Schüler verloren, weil sie nicht als hochbegabt erkannt werden und – wenn es sich um Minderleister handelt – weil es viel zu wenige Underachiver-Programme gibt.

Hochbegabte Hochleister hat man mittlerweile gerne – Underachiver dagegen werden sogar oft auch in den Schulen ausgegrenzt, die sich ansonsten den Umgang mit Hocbegabung auf die Fahnen geschrieben haben.


 

Verarmung

Häufig wird im Moment, der diesjährige Weltkindertag ist heute, geklagt über die üble finanzielle Situation vieler – zu vieler – Kinder. Oft zu Recht.

Kindernot in Deutschland hat aber noch ein anderes Gesicht – meiner Meinung nach ein noch viel schlimmeres als das des Geldmangels – nämlich das der emotionalen Verelendung vieler Kinder – wobei davon durchaus auch Kinder betroffen sind, deren Familien keine finanziellen Sorgen haben.

Zerbrechen von Familienstrukturen, Statusdenken, Freizeitkicks, Arbeitslosigkeit, Süchte aller Art, Unreife, Egoismus und oft pure Gleichgültigkeit von Erwachsenen: ungezählt viele Kinder, auch aus den sogenannten “guten Verhältnissen”, sind alleingelassen mit ihre Ängsten und Problemen, unendlich einsam und allein, in Gefühlsdingen leer und orientierungslos, emotional ausgehungert, vernachlässigt und verstört – die Auswirkungen dieser Entwicklung werden wir zu spüren bekommen. In den Schulen sind es oft die Konsequenzen der Probleme dieser Art, die das Unterrichten so unendlich mühsam macht.

Die SZ legt den Focus ihres Artikels von heute auf genau diesen Punkt: “Vergessen und verloren” heißt der Artikel, in dem der Finger in eine eher in der Dunkelheit offen eiternde Wunde gedrückt wird: Nur wenn einmal wieder ein Baby alleingelassen verhungert oder totgeschüttelt aus einer Kühltruhe gefischt wurde – emotionale Traumatisierung von Kindern also auch zu einer drastisch-konkreten Konsequenz geführt hat – wird die sozial/emotionale Verelendung vieler Kinder mit einem kurzen, empörten Aufschrei beklagt.

Wieviele Kinder bekommen zu Hause schon keine wirkliche Mahlzeit mehr – von einem gemeinsamen Essen am Familientisch gar nicht zu reden… Auch dieses McDonalds-/Pommes-/Pizza-Phänomen ist häufig keine direkte Auswirkung einer finanziellen Notlage von Familien.

Das wird noch schlimm werden” – ein weiterer Artikel der SZ von heute. Ein in der Jugendhilfe aktiver Jugendpastor sagt darin: “Wir haben bereits französische Verhältnisse: In Berlin brennen ständig Autos. Es heißt dann: Der Staatsschutz ermittelt. Ja, was soll er denn ermitteln? Das ist Kinderkriminalität. Das sind ausgestoßene junge Leute, die nichts mit sich anzufangen wissen und sich in Banden zusammenrotten. Das wird noch schlimm werden. Sie glauben gar nicht, welches Ausmaß die sexuelle Verwahrlosung angenommen hat. Mit 15 haben die alles durch. Mit 16 kriegen die Mädchen ihr erstes Kind. So dreht sich die Spirale weiter. Das sind Probleme, die die gesamte Gesellschaft betreffen.”

In einer “Studie wurden 15-Jährige gefragt, wie oft sich ihre Eltern Zeit für ein Gespräch mit ihnen nehmen. Lediglich 40 Prozent antworteten mit: ‘Mehrmals in der Woche’. Damit liegt Deutschland in dieser Kategorie auf dem letzten Platz. Reichtum kann auch darin bestehen, überhaupt erst wahrgenommen zu werden.”

“Reichtum kann auch darin bestehen, überhaupt erst wahrgenommen zu werden.” – Dieser Satz kann gar nicht genug schmerzen.

Reichtum kann auch darin bestehen, überhaupt erst wahrgenommen zu werden.

 

Betagt

“Deutsche Lehrer sind zu alt” titelt die SZ.

Mehr als jeder zweite Lehrer der Klassen 5 bis 10 ist älter als 50. Das ist schon erschreckend, aber aus der Historie heraus nachvollziehbar: 1981 wurden in NRW z.B. noch alle Referendare, die fertig wurden, sofort eingestellt. 1982 keiner mehr – und ich auch nicht. Jahrelang wurde dann so gut wie überhaupt niemand mehr eingestellt. Woher soll also ein großer Anteil jüngerer Lehrer kommen?

Es geht gar nicht darum, dass ältere Lehrer nicht gute Lehrer sein könnten, es fehlen aber eben oft das wirkliche Feeling für die Zeit, der Blick für die Komplexheit der Situationen, die Aufbruchstimmung, die Frische und der Mut zum Unorthodoxen, der Wille zu Reformen, den Jüngere dann doch eher haben als Ältere.

Ich kenne etliche dieser über 50-jährigen Lehrer. Nicht wenige davon sind nahe am Burn-out oder darüber hinaus. Selbst die, die es nicht sind, bringen sich oft irgendwie über die restlichen Jahre ihrer Berufstätigkeit, sehr sehr ordentlich zumeist – aber das reicht eben nicht in einer Zeit, die so schnelllebig, medial ausgebufft, fiebrig, vielschichtig, komplex und kompliziert ist wie die heutige.

Die Überalterung der Lehrerschaft ist mit Sicherheit ein bremsender Faktor auf dem weiten Weg zu einer wirklich neuen Bildungslandschaft.

 

It’s a long long way…

Der neue Bildungsbericht der OECD weist auf, dass für den Patienten “Deutsches Bildungssystem” das Licht am Ende des Tunnel noch weit entfernt ist.

“Deutsches Bildungssystem fällt weiter zurück”, titelt die SZ.

Focus-online legt den Schwerpunkt seines Artikels über die OECD-Studie auf die zukünftig fehlenden Fachkräfte und Akademiker.

Trotz leichter Fortschritte sacke Deutschland weiter ab, stellt Spiegel-online fest.

“Deutschland vor dem Bildungsloch” klagt die Rheinische Post.

Die Netzeitung ist mit “Deutsches Bildungssystem fällt massiv zurück” dabei und toppt durch das “massiv” den ansonsten gleichnamigen SZ-Titel.

Zum OECD-Bericht klagt der Bildungsklick: “Deutschlands Rückstand in der Hochschulbildung führt zu strukturellem Mangel an Hochqualifizierten.”

Hunderte von Artikeln ähnlichen Tenors kann man anführen heute anlässlich des Erscheinens des OECD-Bildungsberichtes – und jammern und klagen.
Will ich aber doch gar nicht.
Allerdings habe ich auch keine Ahnung, wie sich etwas Grundsätzliches ändern soll, wenn die Bildungshoheit weiterhin bei den Ländern bleibt und jeder sein eigenes ideologisches Süppchen kocht. Irgendwie steht uns – zumindest in diesem Zusammenhang – unsere eigene Historie im Moment ziemlich im Weg.

 

Seufz!

Ich bekomme viele Anfragen, Hochbegabung bei Kindern betreffend – und das ist auch in Ordnung so. Unter den Ratsuchenden sind viele Eltern, die in Not sind, Rat suchen (und hoffentlich auch finden) – und dabei einfach freundlich sind. Also, so ganz normal freundlich, nicht irgendwie besonders oder überschwänglich. Einfach halt freundlich. Hin und wieder höre ich tatsächlich sogar auch mal ein “Danke”.

Es gibt allerdings auch andere Eltern – und bei denen habe ich dann doch deutlich das Gefühl, dass die Problematik des Kindes durchaus durch das Verhalten der Eltern mitbestimmt wird und nicht nur auf die Hochbegabung zurückzuführen ist. Wie ich schon einmal geschrieben habe: manchmal sind nicht wirklich die Kinder, sondern eher die Eltern das Problem.
Manche Anfragen erlebe ich als unangemessen, unfreundlich und hin und wieder auch unverschämt.
Ich tue mit meiner fast 20-jährigen Erfahrung im Umgang mit Hochbegabung, was ich kann, dazu ehrenamtlich, sogar als Unterstützung amtlicher Stellen – aber manchmal fühle ich mich doch auch genervt…

Als gerade aktuelles Beispiel bekam ich die Anfrage einer Frau, die sich sogar pompös als “Lebensberaterin” darstellte. Bei ihrem Kind wurde Hochbegabung festgestellt, und sie schrieb:
Sie kennen bestimmt die Schwierigkeiten, die sich daraus innerhalb einer Familie auftun können. Ich suche nach Hilfe für uns als Eltern und die Lehrer, als auch nach außerschulischen Förderungsmöglichkeiten. In der Hoffnung in Ihnen einen Ansprechpartner gefunden zu haben, verbleibe ich mit …
Ich schrieb ihr sofort (!) und freundlich zurück, dass ich natürlich evtl. auftretende Schwierigkeiten aller Art kennen würde, aus ihrer Mail aber gar nicht entnehmen könnte, welche konkreten Fragen oder Probleme sie in Bezug auf ihren Sohn und Ihre Familie denn habe. Sie könne mich gerne anrufen, das aber bitte erst in ca. drei Tagen, da ich meinem eigenen Sohn gerade beim Umzug helfen würde, sie könne aber auch ausführlicher schreiben. Danach könnten wir konkret ins Gespräch kommen.
Zurück kam Folgendes:
Das ist ja eine Überraschung! Ihre Seite wird wesentlich kompetenter dargestellt, als dies der Fall zu sein scheint. Wenn ich konkrete Fragen stellen könnte, dann hätte ich wahrscheinlich selber schon konkrete Antworten darauf. Und so wie es aussieht, sind hier einige “Ansprechpartner” (?) wohl mit den eigenen Lebensumständen überfordert. Vielen Dank, aber ich wende mich lieber an eine andere Institution.

Ja aber bitte gerne doch!!!

Echt der Hit:
Wenn ich konkrete Fragen stellen könnte, dann hätte ich wahrscheinlich selber schon konkrete Antworten darauf.
Und bin ich mit den “eigenen Lebensumständen überfordert“, wenn ich wegen eines Umzuges in der Familie drei Tage lang keine Zeit habe?

Was für eine Arroganz!

Wie wäre es im Gegenzug damit:
Kommt ein Klient zur Lebensberaterin: “Ich bin 40 Jahre alt. Welche Probleme könnte ich denn so haben?? Bitte nennen Sie mir alle – und dazu natürlich kostenlos und SOFORT, ansonsten sind Sie mit Ihrem eigenen Leben überfordert!” :-) :-) :-) :-)

 

Hochbegabung als Fluch

Ich fasse es nicht, aber so heißt tatsächlich die Überschrift eines Artikels der Deutschen Welle.

Wenn Kinder wunderbar schwimmen können, supertoll im Ballett sind, Arnold Schwarzenegger im Judo auf die Matte knallen, wunderkindmäßig Klavier spielen, fiedeln wie der Teufel oder Tennis spielen wie Klein-Boris – würde dann auch jemand sagen: “Schwimmbegabung als Fluch”, “Oh Schreck, mein Sohn ist der neue Judo-Crack”, “Hilfe, mein Kind spielt toll Tennis”, “Wenn der Geigenbogen älter ist als das Kind” ????

Ich habe immer mehr den Eindruck, dass hierzulande ein Kind erfreuter akzeptiert wird, wenn es ein bisschen “hinterher” ist und man tüddeln und bedauern kann (“putt, putt, das Arme”) oder wenn man weiß, dass bei einem Kind Schweiß und Tränen bei gnadenlosem Hochleistungstraining fließen (ohne Fleiß, kein Preis!), als wenn es einfach geistig potent ist.

Hochbegabung als Fluch?
Hochbegabung ist ein Geschenk – wenn auch zugegebenermaßen – manchmal ein nicht unkompliziertes.

 

Keine Begabung verschenken

Der gleichnamige Artikel des Deutschlandfunks wäre bei mir fast als einer dieser begrüßenswerten, aber dann doch nichts wirklich Neues bringenden Artikel über Hochbegabung abgehakt worden, als mir der Ausspruch einer 22-jährigen Studentin in die Augen fiel.

Sie sagt über ihre Hochbegabung:

“Ich denke, es ist eine Gabe, und man muss gucken, was man draus macht. Also ich denke, man hat auch eine Verantwortung, was damit zu machen.”

Wie wahr und wie richtig. Bewundernswert, in dem Alter schon soviel Reife und Eigenverantwortlichkeit zu finden.

Die Forderung danach, keine Begabung zu verschenken, hat ganz klar zwei Seiten:
Die Gesellschaft, respektive Bildungssystem, Schule, Lehrer etc., hat natürlich die Aufgabe, ja die Pflicht, dafür zu sorgen, dass Begabungen, und auch Höchstbegabungen, sich entfalten können.
Das ist aber nur die eine Seite, die letztendlich leider immer dann ins Leere läuft, wenn das persönliche Engagement des hochbegabten Kindes und seiner Familie nicht einzubinden ist.

Ich habe es schon einige Male erlebt, dass für ein hochbegabtes Kind eine wirklich gute Schulsituation geschaffen werden konnte – aber nie war etwas gut genug. Es zeigte sich dann häufiger, dass das Problem des Kindes letztendlich gar nicht in seiner Hochbegabung lag, sondern in einer permanenten familiären Stresssituation, die eben unverändert blieb. Da man sich nicht mit der Familienproblematik auseinandersetzen konnte und/oder wollte, wurde erneut so lange das Kind zum Problem gemacht, bis es wieder in die Knie ging, tatsächlich wieder schulische Probleme auftauchten – und das Kreisen um das vermeintliche Problem der Hochbegabung und das Jammern über das ach so schreckliche Schulsystem neu begannen.

Heutzutage, wahrscheinlich mache ich mich mit solchen Statements nicht beliebt, ist ja sowie häufig die Einstellung zu finden: “Ich bin das und das, habe das und das an Behinderung oder diese oder jene Besonderheit – Gesellschaft, jetzt mach mal und sorge für mich!”
Natürlich muss “Gesellschaft” adäquate Bedingungen anbieten, aber jeder Mensch trägt auch die Verantwortung für sich selbst!
Schon die Werde-Forderung der Antike “Werde der, der du wirklich bist”, gibt letztlich das Individuum sich selbst in seine eigene Hand.

Werden und Reifen, das kann niemand keinem abnehmen.
Jeder steht da mit sich selbst in seiner eigenen Situation, und manchmal ist sie gut, und manchmal ist sie schlecht.

Wenn eine 22-Jährige in der Lage ist, ihren Teil der Verantwortung für ihre Gabe so deutlich zu sehen – Hut ab!
Viele Menschen, auch viele Eltern hochbegabter Kinder und viele Hochbegabte selbst, sind dazu nicht in der Lage und bleiben ewig in der Klage – zutreffend oder nicht – über die schlechten Bedingungen, in denen sie leben müssen.

Nicht, dass wir in der besten aller denkbaren Gesellschaften lebten – aber selbst wenn wir es täten: für manche Menschen wäre selbst das nicht gut genug. Sie kämen auch in der besten aller Welten nicht klar, weil sie nicht bereit sind, auch mal sich selbst und die eigenen hausgemachten Problematiken aufrichtig anzuschauen, die Verantwortung dafür zu übernehmen und daran zu arbeiten.

 

Das erste Jahr …

… hat dieser Blog überstanden.
Am 1. September des letzten Jahres habe ich meinen ersten Beitrag eingestellt: Heute hat speybridge also Geburtstag.

Eigentlich hatte ich ursprünglich gar nicht vor, ausgeprägt auf Fragen der Hochbegabung einzugehen. Das hat sich deswegen so entwickelt, weil die Suchbegriffe, über die Besucher zu diesem Blog gekommen sind, in hohem Maße dieses Themengebiet ansprachen und -sprechen. Da es keinen Sinn macht, einen Blog zu betreiben, den keiner liest, habe ich mich darauf eingestellt und mehr zu Hochbegabung und Bildung geschrieben.

Die beliebtesten Suchbegriffe, mit denen Besucher auf meinen Blog gelangen, beziehen sich so also eindeutig auf den Bereich der Hochbegabung. Dabei ist Hochbegabte Erwachsene das bei weitem am meisten angegebene Suchwort.
Besonders beliebt sind allerdings auch folgende Begriffe anderer Bereiche: Münchhausen Stellvertreter-Syndrom, Hubert Benoit und seine Hohe Lehre sowie Stelenfeld Berlin, Alter und Mutterliebe.

Dieser Blog gehört natürlich nicht zu den Shooting-Stars seines Genres, erfreut sich aber doch einer gewissen Beliebtheit. Da bin ich gar nicht unzufrieden, würde mich aber natürlich über noch mehr Besucher und Kommentare freuen.

Also: Ran!
Beginn ist immer Jetzt!