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Berlin Berlin – Stelenfeld

Unterwegs in Berlin 2006:

Jahrelang andauernd. Unendlich die Diskussion der Argumente pro und kontra:

2005 wurde dann doch das Stelenfeld des Architekten Peter Eisenmann eingeweiht: das Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Es handelt sich um ein Labyrinth aus 2711 grauen Betonstelen unterschiedlicher Höhe: 0,20 m – 4,70 m. Von oben sieht es aus wie ein graues Wellenfeld.

S1Je nachdem, von wo aus man das Feld betrachtet, schaut man über es hinweg auf die futuristische Anlage des Potsdamer Platzes oder aber über die Rückseite des exklusiven Hotels Adlon hin zum Brandenburger Tor und Reichstag.


Ein bemerkenswert fremder Ort in bemerkenswert prominenter Lage.

Verfremdung von Wahrnehmung ist Ziel und Zweck der ungewöhnlichen Anlage, um, jenseits aller informationslastiger Aufklärung, ein Gefühl zu erzeugen, das jenseits aller Normalität liegt: ein Gefühl von Ausgeliefert-Sein, Fremdheit, Isolation, Bedrohung. Der Versuch, für die Augenblicke des Begehens dieses Feldes eine Emotion zu wecken, Stille zu erzeugen und durch die Fremdheit des Erlebens ein Gedenken zu erzwingen an das Unvorstellbare, das 6 Millionen Juden in Europa während des Dritten Reiches erlebt haben.

Beim Besuch des Stelenfeldes soll der Besucher die Stimmen der Opfer hören, das ist Eisenmanns Absicht.

Lässt man sich ein und begibt sich in das Innere des Stelenfeldes, so fühlt man sich schnell verloren, so übermächtig groß werden die grauen Betonmonster. So eng stehen sie beieinander. So dunkel ist es dort trotz des hellen Sonnenscheins außerhalb. Man verliert sich schnell aus den Augen, ist man zu mehreren. Ist schnell allein. Verirrt. Beklommen. Grau. Nebeneinander zu gehen, ist unmöglich. Jeder ist allein. Der Boden ist uneben und erzeugt beim Gehen zusätzlich das Gefühl von Unsicherheit. Trägt er?

Eisenmann hatte eine Vision bei der Gestaltung dieses Mahnmals – und ihm ist es damit gelungen, etwas spürbar zu machen, das reiner Informationsvermittlung nicht gelingen kann, nämlich eine Erlebnisqualität zu erzwingen, die durch die Verfremdung der Wahrnehmung ahnen lässt – wenn natürlich nur von sehr sehr ferne – , was es bedeutet, ausgeliefert zu sein, allein, entfremdet und existentiell bedroht in einer Wirklichkeit, in der die bekannten menschlichen Gesetze keine Gültigkeit mehr haben.

 

67 Kommentare zu “Berlin Berlin – Stelenfeld”

  1. Speybridge » Blog Archive » Das erste Jahr … schrieb am 1. September 2007 um 15:32: 

    […] Die beliebtesten Suchbegriffe, mit denen Besucher auf meinen Blog gelangen, beziehen sich so also eindeutig auf den Bereich der Hochbegabung. Dabei ist Hochbegabte Erwachsene das bei weitem am meisten angegebene Suchwort.Besonders beliebt sind allerdings auch folgende Begriffe anderer Bereiche: Münchhausen Stellvertreter-Syndrom, Hubert Benoit und seine Hohe Lehre sowie Stelenfeld Berlin, Alter und Mutterliebe. […]