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Gleichberechtigung?

Die Frage danach, was die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern bedeutet, wie sie gestaltet werden kann – und welche Fallen auf dem Weg lauern, lässt mich schon eine ganze Weile nicht los (hier und hier und hier).

Die Entwicklung der letzten Jahre und gesetzgeberische Maßnahmen gehen eindeutig zulasten der Frauen, die sich in dem unübersichtlichen Gestrüpp von z.T. sehr subtilen aber auch finanztechnisch sehr konkreten Anforderungen nur verheddern können – viele davon im Namen einer sich der Gleichberechtigung verpflichtet gebenden Attitüde, die aber letztlich die Situation der Frauen nur immer unübersichtlicher und eine realistische und befriedigende Lebensplanung und -gestaltung fast unmöglich macht.

Ich selbst bin interessanterweise völlig ohne die üblichen weiblichen Minderwertigkeitsprobleme der Frauen und Mädchen der 60er bis 80er Jahre großgeworden und konnte mit der Frauenemanzipationsbewegung im Zuge der 68er-Bewegung mit Alice Schwarzer und allem, was dazugehörte, nie etwas anfangen. War echt nicht mein Ding.

Ein konkretes Problem holte allerdings auch mich ein: Die Vereinbarkeit von Kind und Arbeit. Ich kann es einfach nicht bereuen, die ersten Jahre meines Kindes zu Hause erlebt und mich auch ansonsten auf das Zentrum Familie bezogen zu haben in meinen Entscheidungen. Natürlich habe ich dadurch eine typische “Frauen-Nicht-Karriere” gemacht: mangelnde Mobilität, 400 Euro-Jobs, Teilzeitarbeit etc. Auf der “faulen Haut” gelegen habe ich nie. Ehrenamtliches Engagement war und ist zudem neben Familie und Berufstätigkeiten bis heute hin immer fester Bestandteil meines Lebens gewesen.
Gestern bekam ich nun eine Information meines Rententrägers: Von der Rente, die ich allein erwirtschaftet habe für mich selbst, kann ich mir später höchstens die Miete für eine 2 Zimmer-Studentenbude leisten. Warm allerdings. Mehr ist nicht! Kein Telefon, kein Brötchen, kein Buch, und ein Auto oder Urlaub schon gar nie wieder.
Nun habe ich das Glück, dass meine “klassische” Familiensituation gehalten hat, so dass ich nicht in Armut fallen werde. Aber genau das wird auf uns zukommen: Altersarmut, die vor allem ein weibliches Gesicht haben wird!

Frauen, die gemacht und getan haben im Haushalt, irgendwie auch gearbeitet haben, Teilzeit, oft mit schlechtem Gewissen, was ihre Kinder angeht, irgendwie auch noch Opa und Oma (auch die des Mannes) versorgt und ehrenamtlich die Schulbibliothek betreut haben, sie werden, wenn sie alleine stehen – und jede 2. Ehe scheitert nunmal heutzutage – , mit einer Rente in 400 Euro Höhe dastehen.

Ich weiß keine Lösung, aber das Problem ist offensichtlich und kann auch durch die bemühten Versuche, irgendwie Kind und Karriere besser vereinbar zu machen, nicht wirklich beseitigt werden. Denn selbst, wenn die Kinderbetreuung besser funktioniert eines Tages: es gibt IMMER und ständig Lücken: Schwangerschaft und Mutterschaftsausfälle, Krankheiten und Arztbesuche der Kinder, Elternsprechtage, Hinfälligkeit und Pflegebedürftigkeit der Eltern, der normale Haushaltswahnsinn – und all dies ist und bleibt Domaine und Verantwortungsbereich der Frauen.
Wenn eine Frau arbeitet und ein Kind wird plötzlich krank, dann ist es in fast 100% der Fälle so, dass in unhinterfragter Selbstverständlichkeit die Frau sehen muss, wie sie das hinbekommt – ob sie arbeitet oder nicht.

Schwierig, schwierig.

Anlass dieses Beitrages ist übrigens ein absolut lesenswerter Artikel im Zeit-Magazin, das diesmal den Frauen gewidmet ist: Alles beim Alten: “Von Gleichberechtigung kann in Deutschland keine Rede sein. Wer das Gegenteil behauptet, geht den Männern auf den Leim.”

Besonders berührt hat mich folgende Feststellung: “Von der Familienforscherin Gisela Erler stammt der Satz: »Je näher eine Arbeit am Menschen verrichtet wird, desto billiger wird sie.« Je abstrakter, je technischer, desto teurer wird Arbeit bezahlt.”
Bitter.
Aber selbst wenn Frauen in Männerdomänen erfolgreich sind, ist es erwiesenermaßen so, dass der entsprechende Bereich sehr schnell an Prestige und Gewinnmöglichkeiten verliert. Wer will schon eine Frau mit auf Geschäftsreise nehmen, die den abschließenden Umtrunk oder gar Bordellbesuch am Abend vermasselt…

Ein (leider nicht zu realierender) Taum:
Man müsste einen Generalstreik der Frauen ausrufen: Jedes Ehrenamt niederlegen, jede freiwillige, unbezahlte soziale/familiäre Arbeit verweigern.

Alles würde zusammenbrechen.

 

77 Kommentare zu “Gleichberechtigung?”

  1. Speybridge » Blog Archive » Frauen in Deutschland schrieb am 17. Dezember 2012 um 18:58: 

    […] lese auch diesen alten Blogbeitrag und diesen. Daraus: ”Die widersprüchlichen Forderungen, die an Frauen mittlerweile gerichtet […]